Über 410 Millionen Bürgerinnen und Bürger in 28 Mitgliedstaaten waren aufgerufen, über die 751 Sitze im 9. Europäischen Parlament zu entscheiden. Für eine Europawahl war die Wahlbeteiligung von 50,95 Prozent hoch und lag mehr als acht Prozent höher als 2014, stellte die Moderatorin und Expertin für europäische Angelegenheiten, Françoise Chotard fest. In Malta haben über 70, in Spanien 64 und in Dänemark 66 sowie in Deutschland 61,5 Prozent der Bürgerinnen und Bürger gewählt. Die EU-Bürgerinnen und Bürger hätten mit der hohen Wahlbeteiligung anerkannt, wie wichtig die Entscheidungen sind, die in vom Europäischen Parlament getroffen werden, schlussfolgerte Chotard.
Der Stimmenzugewinn bei den europaskeptischen und europafeindlichen Parteien ist hoch, doch niedriger als befürchtet, sagte Chotard weiter. Die beiden großen Fraktionen, Europäische Volkspartei (EVP) und die Progressive Allianz der Sozialdemokraten (S&D), haben erhebliche Stimmenverluste zu verzeichnen, die EVP bleibt aber stärkste Fraktion im neuen Europäischen Parlament, gefolgt von der S&D. Erstmals haben aber beide Fraktionen keine eigene Mehrheit mehr und benötigen die Unterstützung der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE Fraktion) oder der Fraktion der Grünen/Europäische Freie Allianz (Grüne/EFA), die beide dazugewonnen haben.
Peter Müller, EU-Korrespondent, DER SPIEGEL, Isabelle Ory, EU-Korrespondentin, EUROPE 1, Barbara Roffi, Journalistin sowie Anna Słojewska, EU-Korrespondentin, RZECZPOSPOLITA stellten die Ergebnisse in ihren Ländern vor und kamen in der anschließenden Podiumsdiskussion zu allgemeinen Einschätzungen: Die hohe Wahlbeteiligung hat das Europäische Parlament gestärkt. Die Wahl 2019 hat in vielen Mitgliedstaaten in den großen Städten, den ländlichen Regionen und der geografischen Gliederung ein differenziertes Wahlverhalten ergeben. Trotz Verlusten der Christdemokraten und der Sozialdemokraten ist mit den Zugewinnen der Liberalen und Grünen die politische Mitte stabil geblieben. Erforderlich sind aber neue fraktionsübergreifende Allianzen für die Handlungsfähigkeit des Europäischen Parlamentes, um den Herausforderungen der EU, wie Migration, Digitalisierung, Umwelt- und Klimapolitik, gerecht zu werden.
Die anti-europäischen Kräfte der populistischen und rechtsextremen Parteien hätten zwar nicht in allen Staaten entscheidend dazu gewonnen, können aber durch neue Fraktionsbildungen ihren Einfluss vergrößern. Diese Entwicklungen müssten aufmerksam beobachtet werden. Abgezeichnet habe sich in dieser Wahl auch ein beginnender Generationswechsel. Erfahrene, langjährige Abgeordnete haben Jüngeren den Platz überlassen. Gespannt ist man auf die Wahl des Kommissionspräsidenten, ob sich dabei das Europäische Parlament mit seiner Forderung der Wahl eines der Spitzenkandidaten gegenüber den EU-Staats- und Regierungschefs durchsetzt.