Europa nach den Wahlen: Präsidentschaftswahlen in Frankreich 2022

Am 24. April 2022 fand in Frankreich die Stichwahl um die Präsidentschaft statt. Staatspräsident Emmanuel Macron ist entgegen den Meinungsumfragen als klarer Sieger hervorgegangen. Im Juni stehen Parlamentswahlen an. Nach derzeitigen Erhebungen wollen 56 Prozent der französischen Bevölkerung, dass Macron bei den Parlamentswahlen nicht die Mehrheit davonträgt, so EU-Journalist Karl De Meyer.

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Eingeladen zu der Veranstaltung „Frankreich hat gewählt“ hatten die Partnerregionen Nouvelle-Aquitaine und Hessen in die Vertretungen der Region Nouvelle-Aquitaine und des Landes Hessen bei der Europäischen Union. Das erwartete Kopf an Kopf Rennen der beiden Präsidentschaftskandidaten habe sich nicht bestätigt. Der amtierende Staatspräsident Macron hat sich deutlich gegen seine rechtsextreme Herausforderin Marine Le Pen durchgesetzt: 58,54 Prozent der französischen Bürgerinnen und Bürger haben sich für eine zweite Amtszeit von Macron entschieden, während Le Pen mit 41,46 Prozent verloren hat. Bedenklich ist allerdings, dass sich bei dieser Wahl über 40 Prozent der Bevölkerung für einen rechtsextremen Kurs entschieden haben. In der Stichwahl 2017 hatten 33,9 Prozent der Franzosen für Marine Le Pen gestimmt und 66,1 Prozent für Macron.

Die politische Landschaft habe sich stark verändert im Vergleich zu 2017: Auch die Anzahl der Stimmenthaltungen mit 28 Prozent war noch nie so hoch, sagte De Meyer. Die Regionalrätin der Region Nouvelle-Aquitaine zuständig für Europa und Internationales, Isabelle Boudineau, zeigte sich erleichtert über das Wahlergebnis, zugleich aber besorgt über die hohe Anzahl der Wählerinnen und Wähler, die sich ihrer Stimme im zweiten Wahlgang enthalten haben. Das zeige das fehlende Vertrauen in die öffentliche Hand, so Boudineau. Der zentralisierte Ansatz, ausgehend von Paris, erdrücke die Initiativen auf regionaler und lokaler Ebene. Aus ihrer Sicht brauche es keinen homogenen Ansatz für ganz Frankreich.

Isabelle Boudineau, Regionalrätin der Region Nouvelle-Aquitaine zuständig für Europa und Internationales
Isabelle Boudineau, Regionalrätin der Region Nouvelle-Aquitaine zuständig für Europa und Internationales

Analyse des Wahlergebnisses

Macron habe seinen Wahlkampf sehr spät begonnen bedingt durch die EU-Ratspräsidentschaft und den Krieg in der Ukraine. Er habe im Gegensatz zu Mélenchon insbesondere die Jungwähler verloren. De Meyer führte weiter aus, es habe in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl drei Blöcke gegeben: einen stark linksorientierten mit Jean-Luc Mélenchon, einen extremrechten mit Eric Zemmour sowie Emmanuel Macron. Verlierer waren die Grünen (Les Verts) mit unter fünf Prozent, die Republikaner fielen ins Uferlose mit 4,78 Prozent im Vergleich zu 2017 mit 20 Prozent und die „Parti Socialiste“ fiel von 6,36 auf 1,75 Prozent. Möglicherweise hätte die Partei „La France Insoumise“ mit Mélenchon es geschafft, an Le Pen mit ihrer Partei „Rassemblement National“ vorbeizuziehen, wenn die Kommunisten keinen eigenen Kandidaten aufgestellt hätten, analysierte De Meyer. In einer Stichwahl zwischen Macron und Mélenchon wäre dann möglicherweise Mélenchon als Wahlsieger hervorgegangen.

Im zweiten Wahlgang gewann Macron die Stimmen der Sozialisten und der Grünen, führte De Meyer weiter aus. Mélenchon habe im Vorfeld der zweiten Runde seine Wähler eher zur Stimmenthaltung aufgefordert. Es wäre möglich, dass seine Partei zukünftig, insbesondere bei der anstehenden Parlamentswahl, noch stärker werden könnte. So habe Mélenchon in vielen Großstädten an erster Stelle gestanden. Gleichzeitig habe er massiv für die Parlamentswahlen im Juni geworben, mit dem Ziel, Premierminister zu werden.

Moritz Koch, Handelsblatt, im Gespräch mit Isabelle Boudineau und Karl der Meyer
Moritz Koch, Handelsblatt, im Gespräch mit Isabelle Boudineau und Karl der Meyer

Wie geht es weiter?

Es sei das letzte Mandat von Macron, er könne sich also innovativ zeigen und müsse Reformen bringen, die akzeptabel sind. Normalerweise wäre in den auf die Präsidentschaftswahlen folgenden Parlamentswahlen die Partei des gewählten Präsidenten erfolgreich. Es bleibe abzuwarten, ob das in dieser Wahl auch so kommen wird. Die Handhabung der Krise im Jahr 2008 habe Spuren hinterlassen in den EU-Staaten. Man müsse nun versuchen, die EU in eine stärkere wirtschaftliche Autonomie zu bringen. Auf die Frage des EU-Journalisten und Moderators, Moritz Koch, bezüglich eines Umschwungs in der Machtstruktur auf EU-Ebene von Deutschland Richtung Frankreich antwortete De Meyer, dass Deutschland einerseits die Finanzkrise 2008 erfolgreich gemeistert und die EU-Politik beeinflusst habe. Andererseits habe der Ukraine-Krieg jedoch deutsche Schwächen aufgezeigt, wie die Energieabhängigkeit, Verteidigungsschwäche sowie die Exportabhängigkeit. Sollte Macron eine Mehrheit im Parlament hinter sich bringen, würde er eine starke Position im Europäischen Rat einnehmen. Das Ergebnis der Parlamentswahl wird auch davon abhängen, wie viele Jung- und Nichtwähler Macron für seine Politik gewinnen kann.

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