Schweden hat am 11.09.2022 ein neues Parlament gewählt. Bislang liegt nur ein Teilergebnis vor, mit einem hauchdünnen Vorsprung der Parteien im rechten Lager. Das Endergebnis werde frühestens am 14. September erwartet, wenn die Stimmen aus dem Ausland sowie die Briefwahlstimmen vollständig ausgezählt sind, sagte Bengt Ljung, der unter diesem Vorbehalt die ersten Wahlergebnisse präsentierte: Die Sozialdemokraten (S) mit ihrer derzeitigen Premierministerin Magdalena Andersson haben zwei Prozent an Stimmen gewonnen und bleiben mit circa 30,5 Prozent weiterhin stärkste Kraft. Gewinner sind jedoch die rechtspopulistischen Schwedendemokraten (SD) mit 20,7 Prozent. Sie werden voraussichtlich erstmals Ulf Kristersson von den konservativen Moderaten (M) von Platz zwei verdrängen. Minimal verbessert haben sich auch die Grünen (MP) mit derzeit fünf Prozent. Von den kleineren Parteien des konservativen/rechten Lagers kommen die Christdemokraten (KD) auf 5,4 und die Liberalen (L) auf 4,6%. Die Zentrum Partei (C) mit 6,7 Prozent, die linke Partei (V) mit 6,6 und die Grünen verstärken das linksgerichtete Lager um die Sozialdemokraten. Damit werden wieder 8 Parteien in den Reichstag einziehen. Dass die Parteien nach der Wahl-Entscheidung die Lager wechseln werden sei unwahrscheinlich, meinte Ljung, da ein mehrfacher Wechsel einen Stimmenverlust zur Folge hätte.
12. September 2022
Kopf-an-Kopf-Rennen in Schweden - eine rechte Regierung möglich?
Ingrid Steiner-Gashi vom österreichischen Kurier im Gespräch mit Bengt Ljung
Wie es zu diesem Kopf-an-Kopf-Rennen des linken und des konservativ rechten Lagers kam und welche Auswirkungen dies auf die Innenpolitik des Landes und die Weiterentwicklung der Europäischen Union haben könnte, beleuchtete die EU-Korrespondentin Ingrid Steiner-Gashi vom „Kurier“ im anschließenden Gespräch mit Bengt Ljung. Auch wenn der Trend in Europa in die Richtung geht, dass die sozialdemokratischen Parteien an Stimmen verlieren, hat sich das in Schweden nicht bestätigt, sagte Steiner-Gashi. Warum ist das so? Die Sozialdemokraten hätten viele Themen der Oppositionsparteien, wie Bekämpfung der Bandenkriminalität, Migration und Nato-Beitritt übernommen, betonte Ljung. Hinzu komme, dass sich Premierministerin Andersson einen „Vertrauensbonus“ bei den Wählern erworben habe. Zudem sei sie beliebt und bringe viel Erfahrung mit, auch durch ihre Tätigkeit als Finanzministerin und habe damit Wähler überzeugen und ihr Wahlergebnis verbessern können.
Wahlkampfentscheidend sei weniger der gestellte Antrag auf Nato-Beitritt, sondern seien vielmehr die Themen, steigende Energiepreise, Bandenkriminalität und Migration sowie auch das Gesundheitswesen und das Bildungssystem, gewesen. Die Energiedebatte hat sich als Nukleardebatte entpuppt, wobei das rechte Lager den Nuklearstrom befürwortet habe und dem linken Lager das beabsichtigte Abschalten der zwei großen Reaktoren und die damit verbundenen steigenden Energiepreise vorwarf. Er führte weiter aus, dass die Schwedendemokraten mit den Themen „Einwanderung niedrig halten“ und „Bandenkriminalität reduzieren“ bei den Wählern punkten konnten. Sie hätten sich besonders mit Kritikpunkten zur Migrationspolitik und der für sie daraus resultierenden steigenden Bandenkriminalität in Schweden befasst. Gleichzeitig versuchen sie derzeit, ihr rechtsextremes Image zu korrigieren, um eine größere Akzeptanz in der Gesellschaft zu erreichen. Bislang hatten alle Parteien eine politische Zusammenarbeit oder Beteiligung der Schwedendemokraten an einer künftigen Regierung abgelehnt. Erstmalig hätten sich nun jedoch die Moderaten und ihre möglichen Partner, Christdemokraten und Liberale, nach langem Zögern den Schwedenpopulisten angenähert, so Ljung. Vorstellbar sei nun eine Zusammenarbeit, aber keine unmittelbare Regierungsbeteiligung, betonte Ljung. Man könne jedoch aufgrund des guten Wahlergebnisses der Schwedendemokraten davon ausgehen, dass diese ihren Einfluss in der Bevölkerung auch bei den Verhandlungen deutlich vertreten sehen wollen. Bezüglich des Einflusses in der Politik auf EU-Ebene seien die Schwedendemokraten eher an ihren Interessen an der nationalen Politik interessiert, meinte Ljung.
Blick in die Zukunft
Welche Regierung sich auch aus dem rechten oder linken Lager bilden wird, Schweden wird voraussichtlich ein längerer, schwieriger und von Spannungen geprägter Regierungsbildungsprozess bevorstehen. Allerdings geht der EU-Journalist davon aus, dass es im Vergleich zur Regierungsbildung 2018 weniger als 134 Tage dauern wird, bis eine neue Regierung steht. Schweden wird zudem die Ratspräsidentschaft vom 1. Januar bis 30. Juni 2023 übernehmen.
Schweden sei in den letzten Jahren allgemein EU-freundlicher geworden, 75 Prozent der Schweden bewerten den EU Beitritt als positiv. Keine der Parteien will die EU verlassen. Einen EURO-Beitritt lehnen aber weiterhin 78 Prozent der Schweden ab.
Anmerkung:
Am 14. September 2022 stand nach Auszählung fast aller Wählerstimmen fest, dass das konservativ-rechte Lager die Parlamentswahl in Schweden mit knapper Mehrheit gewonnen hat.