WERTE - über die "Freiheit"

Im Januar 2018 referierte der Theologe Wolfgang Huber in der Hessischen Landesvertretung Berlin über den Wert „Freiheit“. Es war der zweite Gastbeitrag in einer Serie von Vorträgen über grundlegende Werte, die unsere Gesellschaft zusammenhalten. Initiiert wurde die Reihe von Staatsministerin Lucia Puttrich. Durch den Abend führte Meinhard Schmidt-Degenhard.

„Was hat es mit den Werten auf sich, auf denen diese Republik aufgebaut ist?“, fragte Schmidt-Degenhard zu Beginn das Publikum. Er erinnerte an den ersten Vortrag mit dem Rechtsphilosophen Isensee, der über die Würde des Menschen gesprochen hatte. Würde und Freiheit „korrespondieren miteinander“, so Schmidt-Degenhard. Und es sei konsequent, nach der Auftaktveranstaltung zum Thema „Würde“ nun über die „Freiheit“ zu sprechen. Insbesondere in der Stadt Berlin, in der es Jahrzehnte lang Sperrgebiete der Freiheit gab und die Freiheit eine „historische Dimension“ erhalte.

In Zeiten der Veränderung über Werte nachdenken

Der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber zeigte sich dankbar für den inhaltlichen Impuls, den die Werte-Reihe gebe. Damit würden Akzente des Nachdenkens gesetzt. Es sei eine überzeugende Idee in Zeiten des Umbruchs und der Veränderung über grundlegende Werte nachzudenken.

Zum einen werfe die radikale Pluralisierung der Gesellschaft die Frage auf, ob es überhaupt noch ein gemeinsames Verständnis von Freiheit gebe. Denn die Mehrheitsgesellschaft bestehe nicht mehr. Es gebe nicht mehr die Familie, sondern Familien und es gebe nicht mehr die Sprache, sondern Sprachen. „Wir leben in einer Gesellschaft der Vielfalt. Religiös, ethnisch, kulturell, sexuell“, so Huber. Jeder sei ein Teil einer oder mehrerer Minderheiten. Alle hätten unterschiedliche Erziehungserfahrungen, Moralvorstellungen und Familienbilder. Beispielsweise organisiere eine Gemeinschaft mit Bravour die Erziehung von kleinen Kindern. Demzufolge sei eine Kindertagesstätte ein Labor für Vielfalt, in der das praktiziert werde, was gelernt werden müsste: das Zusammenleben.

Technik und Digitalisierung – verlieren wir die Übersicht?

Zum anderen nähre der rasante technische Wandel Zweifel daran, ob „wir der Folgen unserer Freiheit noch Herr werden.“ Niemand wisse, welche Berufe in Zukunft noch existieren werden. Digitalisierung werde unter die Formeln „Industrie 4.0“ und „Social Media“ gepackt, fasste der Theologe zusammen. So werde in Sozialen Netzwerken zwar kommuniziert, aber manchmal sei fraglich, was daran noch sozial sei. Gegen staatliche Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung verwahrten sich viele und gleichzeitig würden mit einem einfachen Klick und einem Häkchen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Internetgiganten akzeptiert. Neben der Digitalisierung sei die Genomchirurgie ein weiteres Feld, in dem sich die Rasanz des technischen Fortschritts zeige.

Schließlich stelle die Absolutsetzung der individuellen Freiheit die Institutionen des gemeinsamen Lebens infrage. Zur Moderne gehöre, so Huber, die Tendenz, die Reichweite menschlicher Selbstbestimmung immer
weiter auszudehnen. Die Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin habe das Verlangen gesteigert, über die Anfänge des menschlichen Lebens zu verfügen. So wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus dem Recht auf Selbstbestimmung weiterentwickelt worden sei, wäre auch ein Recht auf reproduktive Selbstbestimmung hinzugefügt worden. Demzufolge sei ein Verlangen laut geworden, auch das Ende des menschlichen Lebens in die eigene Verfügungsgewalt zu übernehmen. Huber erinnerte daran, dass sogar in einigen europäischen Ländern die Tötung auf Verlangen legalisiert wurde.

Zusammenfassend beschrieb Professor Huber das Handwerk der Freiheit mit vier Sätzen. „Negative und positive Freiheit gehören zusammen.“ Freiheit sei an Bedingungen gebunden und deshalb begrenzt. Die Kämpfe um Freiheit gäben dem Begriff der Freiheit Kontur und „Freiheit gibt es nur mit Schuld“.

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