Die EU und der indopazifische Raum – Gemeinsame Strategie in der Krise?

Im Mittelpunkt der Veranstaltung in der Reihe Crisis Talks am 8. November 2021 in der Hessischen Landesvertretung in Brüssel stand die EU-Strategie für den indopazifischen Raum.

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Eingeladen zu der Diskussionsrunde hatten die Hessische Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten, Lucia Puttrich, und der Leibniz-Forschungsverbund “Krisen in einer globalisierten Welt” gemeinsam mit dem Forschungsverbund „Normative Ordnungen – Goethe Universität Frankfurt“.

Die Rolle der EU im indopazifischen Raum

In ihrem Grußwort wies die Europaministerin auf die Notwendigkeit hin, dass die Europäische Union (EU) ihren Blick weiten müsse, wenn es um die Rolle der Union in der Welt gehe. Folgerichtig müsse deshalb auch der indopazifische Raum in den Blick genommen werden, was andere westliche Weltmächte bereits getan haben. Das Sicherheitsbündnis AUKUS, ein trilaterales Militärbündnis, das Mitte September 2021 zwischen Australien, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten geschlossen wurde, habe der EU gezeigt, dass auch langjährige Partner nicht auf die EU warteten, wenn es um deren Interessen gehe. Die EU habe mit ihrer Strategie für den Indopazifik einen sehr breiten Ansatz gewählt, der weit über militärische Ambitionen hinausgehe, worin er sich auch klar von dem Ansatz der USA abhebe. Dennoch müsse sich die Union auch fragen, was sie zu leisten bereit ist, wenn beispielsweise Taiwan von China angegriffen würde. Die USA habe sich zu dieser Frage bereits klar positioniert. Die allumfassende Frage werde sich darum drehen, inwieweit sich die verschiedenen Ansätze des „Westens“ zu einem ganzheitlichen Ansatz gegenüber China vereinbaren ließen, so die Ministerin.

EU-Strategie bereits jetzt in der Krise?

Dr. Christian Wirth, Research Fellow Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien, der die Diskussionsrunde mit einem Impulsvortrag einläutete, wies auf die Spannungslage zwischen dem EU-Ansatz, eine wertebasierte Ordnung durchzusetzen, und dem Ansatz Chinas, der sich zunehmend autoritär ausgestalte, hin. Die relevanten Aspekte im indopazifischen Raum, wie die Sicherheitspolitik, der Klimaschutz oder der Schutz der Rohstoffe und Schifffahrtswege, ließen sich deshalb auch nicht ohne die beständige Unterstützung der USA erreichen. Ein vollständiger Konfrontationskurs seitens der EU sei allein deshalb nicht zu empfehlen.

Zu dieser Thematik diskutierten neben Christian Wirth der Europaabgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten im Europäischen Parlament, David McAllister, Prof. Dr. Nicole Deitelhoff vom Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung/Goethe Universität Frankfurt am Main und Dr. Reinhold Brender vom Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD). Die Teilnehmer hielten hierbei fest, dass der Indopazifik, trotz der räumlichen Entfernung der EU, dennoch ganz nah sei. Dies betreffe das Investitionsvolumen oder auch die Handelswege von Asien nach Europa. 80 Prozent der Güter, die in die EU importiert werden, müssen durch den indischen Ozean. Das Handelsvolumen der EU mit einigen Ländern der Region (Indien, Singapur, Australien, Japan oder Korea) beträgt durchschnittlich 100 Mrd. Euro. Die EU habe deshalb ein ureigenes Interesse daran, so Dr. Brender, dass die Region stabil und sicher bleibe. Die EU könne auf gleichgesinnte Partner in der Region bauen und sei zeitgleich größter Investor in der Region, merkte McAllister an. Frankreich sei zudem mit seinen Überseegebieten direkt von den Entwicklungen in der Region betroffen. Die EU-Strategie sei auch deshalb gut, weil sie umfassend und – anders als das neue Militärbündnis AUKUS - nicht nur militärisch angelegt sei. Gerade bei Themen der Digitalisierung, des Klimaschutzes und der Entwicklung sei diese Ausrichtung sehr hilfreich. Einigkeit bestand auch darin, dass die EU-Strategie den Kooperationswillen mit China nicht ausschließe und das Papier nicht als Eindämmungsmaßnahme gegenüber China zu verstehen sei.

Der Umgang der EU mit China

Vielmehr müsse man, so David McAllister, kooperieren, wenn dies möglich sei, Wettbewerb zu betreiben, wenn dies nötig sei und zu konfrontieren, wenn dies hilfreich sei. Auch Christian Wirth betonte, die Strategie sei deshalb auch nicht als Konfrontationsstrategie zu China ausgelegt, sondern weise ein hohes Maß an Kooperationswillen auf. Die EU sei genau darauf angewiesen. Die EU-Strategie biete aber auch die Gelegenheit für eine Allianz, die die Stärke des Rechts respektiere und nicht auf das Recht des Stärkeren zurückgreife. In dieser Hinsicht könne die EU mit den Ländern des indopazifischen Raums eine gemeinsame Position gegenüber China entwickeln, das sich in der Region zuletzt eher auf das Recht des Stärkeren berufen habe, so McAllister. Deitelhoff stimmte dieser Auffassung aus wissenschaftlicher Sicht ebenfalls zu, merkte aber an, dass eine solche Allianz auch berücksichtigen müsse, dass es zwischen den Ländern des indopazifischen Raums ebenfalls Spannungspotenziale gebe, die die Bildung einer solchen Allianz erschweren könnte.

Rebecca C. Schmidt, Geschäftsführerin des Forschungsverbunds Normative Ordnungen der Goethe-Universität Frankfurt, hat die Diskussion moderiert.

Die komplette Veranstaltung finden sie hier:

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