Im Gespräch mit dem EU-Korrespondenten Thomas Mayer von der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ wurden u.a. Optionen für eine Koalitionsbildung und die erwarteten Auswirkungen der Ergebnisse auf die EU diskutiert.
Europastaatssekretär Mark Weinmeister betonte in seinem Grußwort, dass sich durch das Wahlergebnis unser Parteiensystem in Deutschland, dem in anderen EU-Staaten annähere. Voraussichtlich würden drei Fraktionen eine Regierung bilden. Das Wahlergebnis habe keine eindeutige Entscheidung hervorgebracht. Sowohl Kanzlerkandidat Scholz als auch Laschet haben einen Anspruch auf das Kanzleramt angemeldet, führte Koch aus. Die CDU/CSU habe große Verluste erlitten (24,1% im Vgl. zu 2017 32,9%), die SPD sei hingegen mit 25,7% (Vgl. 2017 20,05%) wieder etwas zu Kräften gekommen. Das Wahlergebnis der SPD sei aus seiner Sicht auf Scholz als Kanzlerkandidat zurückzuführen. Bündnis90/Die Grünen haben zwar mit 14,8% ihr Ziel, Anspruch auf die Kanzlerin zu erheben, weit verfehlt, aber im Vergleich zur Wahl 2017 (8,9%) deutlich hinzugewonnen. Auch die FDP habe mit 11,5% (Vgl. 2017 10,7%) Stimmenzugewinne zu verzeichnen. Die AfD komme nur noch auf 10,3% (Vgl. 2017 12,6%). Die Linke scheiterte zwar mit 4,9% an der Fünf-Prozent-Hürde, erringt aber drei Direktmandate, wodurch sie es trotzdem in den Bundestag schafft. Ihre Hoffnung auf eine Regierung mit SPD und Grünen hat sich durch das schwache Ergebnis zerschlagen, sagte Koch. Das Wahlergebnis zeige die Stärkung der kleineren Parteien in der Mitte.
Weitere Auflage der großen Koalition als Option?
In der anschließenden Diskussion wurde darauf hingewiesen, dass das Gewicht Volksparteien SPD und CDU zurückgegangen gegangen sei und andererseits die Parteien am rechten und linken Rand keine Rolle für die Regierungsbildung spielen. Die FDP und die Grünen hätten die Initiative für erste Vorsondierungsgespräche übernommen. Es sieht so aus, als ob diese Parteien ein neues Verfahren anstreben, indem sie nicht auf das Gesprächsangebot der stärkeren Parteien warten. Aber reicht die gemeinsame Schnittmenge an Positionen, um sich dann den großen Regierungspartner wählen zu können? Und wenn es weder eine Ampel- noch eine Jamaika-Koalition gibt, wäre dann eine weitere Auflage der großen Koalition eine Option? fragte Mayer. Beide Journalisten sahen einen steigenden innerparteilichen Druck auf den CDU Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten Laschet, seine Führungsrolle in der Union könnte ernsthaft in Frage gestellt werden. Der SPD-Kanzlerkandidat Scholz hingegen sei in einer starken Position und werde wahrscheinlich Bundeskanzler. Entscheidend sei jetzt die Abstimmung zwischen den Grünen und der FDP in Detailfragen und deren Kompromissbereitschaft. Zu möglichen Auswirkungen der Wahl auf die EU-Ebene sah Koch Widersprüche zwischen SPD, FDP und Grünen. Das beträfe die großen Vorhaben der EU wie NextGenerationEU oder den Fiskalpakt mit den Fragen von grünen Investitionen und ihrer zukünftigen Finanzierung. Mayer schrieb der FDP mit einem Finanzminister Lindner einen Wirtschaftskurs mit Steuersenkungen in einer neuen Regierung zu, der es den Grünen z.B. erschweren könnte, sich auf Kompromisse einzulassen. Auf der anderen Seite könnte es mit Rücksicht auf FDP-Positionen eine Einigung auf einen Vorrang der Innenpolitik geben mit einer Reform des Steuerrechts und der Unternehmensförderung. Koch hält eine Einigung noch vor der Weihnachtspause für möglich. Er sah bei allen beteiligten Parteien den Willen, schnell zu einem Ergebnis zu kommen.
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