Die Studie zur Demokratieförderung ist vom Institut für Markt- und Politikforschung Infratest dimap durchgeführt worden. Die zentralen Ergebnisse der Studie finden Sie im Folgenden.
Demokratiestudie
Studie der Landesregierung zur Demokratieförderung
Demokratiestudie
1. Vorbemerkung
Die folgende Darstellung fasst die Ergebnisse einer quantitativen empirischen Untersuchung zu Einstellungen der hessischen Bürgerinnen und Bürger zu Demokratie, gesellschaftlichem Zusammenhalt und staatlichen Institutionen zusammen, die dimap im April 2025 im Auftrag der Hessischen Staatskanzlei durchgeführt hat.
Die Befragung beinhaltet mehrere Themenkomplexe, von der Verbundenheit mit dem Bundesland Hessen und der Wahrnehmung des demokratischen Systems im Allgemeinen über das Vertrauen in die Institutionen bis zu den Ansichten über konkrete Absichten und Maßnahmen der Hessischen Landesregierung. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf dem Thema der Wahrnehmung und des Schutzes von Minderheiten, der Identifikation von Diskriminierungsformen sowie konkreter Lösungsmöglichkeiten.
Für die vorliegende repräsentative Studie wurden vom 3. April bis zum 16. April 2025 insgesamt 1502 wahlberechtigte Hessinnen und Hessen befragt. Die Befragung erfolgte dabei mittels computergestützten Telefoninterviews (CATI) sowie Panel-online basierten Interviews (CAWI).
Aufgrund der Repräsentativität der gezogenen Stichprobe kann auch sprachlich synonym statt „die Befragten“ auch von der hessischen Bevölkerung gesprochen werden.
2. Studienergebnisse
Verbundenheit mit Hessen (Frage 1)
Die Verbundenheit der hessischen Bevölkerung mit ihrem Bundesland ist sehr hoch: Über die Hälfte der Befragten (53 Prozent) fühlt sich Hessen sehr verbunden, ein gutes weiteres Drittel fühlt sich Hessen etwas verbunden. Diejenigen, die sich Hessen weniger oder gar nicht verbunden fühlen, machen weniger als 10 Prozent der hessischen Bevölkerung aus.
Diese sehr hohe Verbundenheit zeichnet grundsätzlich auch die einzelnen soziodemografischen Gruppen aus, die Unterschiede sind gering: Insgesamt ist die emotional starke Verbundenheit („sehr verbunden“ statt „eher verbunden“) bei Älteren etwas deutlicher als bei Jüngeren, auf dem Land stärker als in den großen Städten sowie bei Menschen mit niedrigem Bildungsabschluss stärker als bei Menschen mit hohen Bildungsabschlüssen ausgeprägt. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass sich Menschen mit Migrationshintergrund in ihrem Verbundenheitsgefühl zu Hessen nicht von der hessischen Gesamtbevölkerung unterscheiden.
Vergleich Hessen-Deutschland (Frage 2)
Im Vergleich zu Deutschland steht Hessen besser da: Rund 40 Prozent der Befragten sehen Hessen als insgesamt besser aufgestellt an, lediglich 8 Prozent meinen, dass Hessen insgesamt schlechter dasteht als der Bund. Ein Drittel der Befragten ist der Auffassung, dass es zwischen Hessen und Deutschland keine Unterschiede gibt.
Hervorzuheben sind die regionalen Unterschiede: Während im Regierungsbezirk Darmstadt 43 Prozent angaben, dass Hessen besser als der Bund abschneidet, sind es im Regierungsbezirk Kassel lediglich 31 Prozent. Die Zahl derjenigen, die Hessen schlechter aufgestellt sehen, ist in allen Regierungsbezirken aber gleich niedrig.
In den großen Städten sind die Menschen dabei zuversichtlicher als auf dem Land: 46 Prozent der Befragten in Großstädten über 100.000 Einwohnern sehen Hessen als besser aufgestellt an, bei Ortsgrößen unter 10.000 Einwohnern sind es lediglich 34 Prozent. Ansonsten gilt: Je höher das Haushaltseinkommen ist, desto höher die Werte für Hessen.
Funktionieren der Demokratie in Deutschland (Frage 3)
Trotz der hier zum Ausdruck kommenden allgemein hohen Zufriedenheitswerte überwiegt die Kritik, wenn man nach der Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland fragt. Die Frage fokussiert dabei nicht auf die Staatsform an sich, sondern auf die praktische Funktionsfähigkeit des demokratischen Systems.
Die Antworten sind von großer Skepsis gekennzeichnet: Nur eine Minderheit meint, dass die Demokratie in Deutschland sehr gut oder eher gut funktioniert (47 Prozent). Eine knappe Mehrheit ist vom Gegenteil überzeugt und sieht die Funktionsfähigkeit der Demokratie als „eher weniger oder gar nicht“ gewährleistet. Wir wissen dabei aus anderen bundesländerspezifischen Studien wie auch dem DeutschlandTREND, dass die hier zum Ausdruck kommenden negativen Bewertungen typisch sind für ein schon länger anhaltendes pessimistisches Stimmungsbild in der Bundesrepublik Deutschland.
Bemerkenswert sind die starken Unterschiede in den einzelnen soziodemografischen Gruppen: Nur bei den über 60jährigen sind diejenigen, die von der Funktionsfähigkeit der Demokratie in Deutschland überzeugt sind („sehr gut“ oder „eher gut“) mit 51 Prozent in der Mehrheit, hingegen ist bei den mittleren Altersgruppen (40 bis 59 Jahre) der Anteil derjenigen, die die Funktionsfähigkeit nicht gewährleistet sehen, am höchsten (57 Prozent).
Des Weiteren sehen lediglich die Bewohner von Großstädten mehrheitlich die Funktionsfähigkeit als gewährleistet an. Je kleiner die Ortsgrößen, umso deutlicher fällt die Kritik aus: 55 Prozent der Menschen in Orten unter 10.000 Einwohnern sind der Auffassung, dass die Demokratie in Deutschland eher weniger oder gar nicht funktioniert.
Auch bei den Bildungsabschlüssen (und analog den Haushaltseinkommen) fallen die Unterschiede ins Auge: Während 61 Prozent der Menschen mit Hochschulabschluss angeben, dass die Demokratie in Deutschland funktioniert, sind 57 Prozent der Menschen mit niedrigem oder ohne Abschluss gegenteiliger Auffassung: Die Demokratiekritik ist eher eine Haltung von Menschen mit geringerem Einkommen, des ländlichen und kleinstädtischen Raumes und vor allem der mittleren Generationen.
Funktionieren der Demokratie in Hessen (Frage 4)
Mit Blick auf Hessen sind die Befragten allerdings bei weitem nicht so kritisch eingestellt. Im Gegenteil: Knapp 60 Prozent sind der Auffassung, dass in Hessen die Demokratie sehr gut oder eher gut funktioniert, lediglich ein Drittel sieht das anders. In den Einzelgruppen fällt ein ähnliches Antwortmuster auf wie bei der Frage nach der Demokratie in Deutschland: Ältere und formal höher Gebildete sind weit weniger skeptisch als die mittleren Generationen und formal weniger Gebildete. Insbesondere die Altersgruppe der 40 bis 49jährigen fällt mit Kritik auf: 43 Prozent der Befragten dieser Gruppe sind der Auffassung, dass die Demokratie in Hessen gar nicht oder eher weniger funktioniert.
Die Unterschiede zwischen Deutschland und Hessen sind jedenfalls deutlich ausgeprägt. Die Zahl derer, die Hessen ein eher oder sehr gut funktionierendes demokratisches System attestieren, ist um 11 Prozentpunkte höher. Die Zahl derjenigen, die in Hessen eine gar nicht oder eher schlecht funktionierende Demokratie ausmachen, ist um 16 Prozent niedriger als beim Bund.
Die hier festzuhaltenden Unterschiede unterstreichen das Differenzierungsvermögen der Bevölkerung: Offenbar wird der Zustand Hessens und der hessischen Politik im Vergleich zur bundespolitischen Perspektive anders und wesentlich positiver diagnostiziert.
Beispiele der Staatskritik (Frage 5)
Woran äußert sich die skeptische Grundhaltung über das Funktionieren der Demokratie konkret? Eine übergroße Mehrheit von 86 Prozent ist der Auffassung, dass das staatliche Gewaltmonopol nicht mehr richtig akzeptiert wird („stimme zu“ oder „stimme eher zu“). Hierzu passt thematisch, dass 65 Prozent kritisieren, dass der Staat seine Bürger nicht mehr richtig schützt: „Nur wenn es um Bagatellsachen wie Verkehrsknöllchen geht, funktioniert noch alles“.
Neben der massiven Kritik an der Vernachlässigung seiner Ordnungsfunktion wird die staatliche Bürokratie von den Hessinnen und Hessen deutlich kritisiert: 77 Prozent stimmen der Aussage zu bzw. eher zu, dass Staat und Verwaltung … eine einzige Bürokratie (sind), „da blickt keiner richtig mehr durch“. Dazu passt thematisch, dass sich 54 Prozent vom Staat bei Behördengängen „nicht unterstützt, sondern eher gegängelt“ fühlen. 53 Prozent zweifeln mit Blick auf die Corona-Pandemie auch am Krisenmanagement des Staates.
37 Prozent sehen sogar ein Bedrohungspotential des Staates gegenüber den eigenen persönlichen Freiheiten: „Man darf gar nicht mehr sagen, was man denkt, schon gibt es eine Strafanzeige“. Allerdings stimmt eine Mehrheit von 58 Prozent dieser Aussage dezidiert nicht zu.
Schließlich ist auch eine Mehrheit von 54 Prozent der Auffassung, dass der Einzelne mit seinen Problemen von der Politik in Hessen gar nicht mehr wahrgenommen wird, 34 Prozent sind hier allerdings gegenteiliger Ansicht.
Auffallend ist, dass die Gruppen, die besonders kritisch die Funktionsfähigkeit der Demokratie hinterfragen, auch hier am kritischsten sind.
Bei aller vorgetragener Kritik wird doch differenziert geurteilt: Dass beispielsweise Minderheiten mehr gehört werden als Mehrheiten erfährt nur von 44 Prozent Zustimmung, 45 Prozent sind gegenteiliger Auffassung. Und dass Zusammenhalt bei ehrenamtlichem Engagement wie beispielsweise in Vereinen besonders erlebbar ist, steht für 74 Prozent der hessischen Bevölkerung außer Frage.
Lob und Kritik an Hessen (Frage 6)
Auch bei der Frage, was in Hessen eher gut oder eher weniger gut läuft, sind die Antworten differenziert: Immerhin 53 Prozent bescheinigen der Kommunalpolitik, dass sie sich um die Menschen vor Ort kümmert und gute Arbeit macht, 34 Prozent sehen das anders.
Die Bildungspolitik - die in der Frage mit konkreten Beispielen wie zusätzliche Deutschstunde in der Grundschule oder Handyverbot hinterlegt ist - überzeugt eine knappe Mehrheit der hessischen Bevölkerung (51 Prozent).
Bei der Inneren Sicherheit sieht das Bild etwas anders aus: Immerhin 42 Prozent sehen Hessen als gut aufgestellt an, 43 Prozent sind hier indes gegenteiliger Ansicht. Vergleicht man diese Ergebnisse mit der zuvor geäußerten generellen Kritik an der Erosion der öffentlichen Ordnung, erscheint dieses auf Hessen bezogene Ergebnis nicht ganz so kritisch. Allerdings muss auch wiederum einschränkend darauf hingewiesen werden, dass der gemessene Gesamtwert vor allem den über 60jährigen – also größtenteils den Seniorinnen und Senioren - zu verdanken ist, die zu 49 Prozent Hessen gut aufgestellt sehen. Die 30 bis 60jährigen – und damit vor allem diejenigen, die sich im öffentlichen Raum auch bewegen - sehen bei der Inneren Sicherheit Hessen überwiegend schlecht aufgestellt.
Beim Thema Digitalisierung fallen den Befragten die Antworten schwerer: 28 Prozent geben an, nicht zu wissen, ob Hessen bei der Digitalisierung im Vergleich zu anderen Bundesländern vorangeht. 42 Prozent stimmen nicht zu, 28 Prozent äußern sich allerdings zustimmend. Das Thema bleibt für viele wenig fassbar, wenn es nicht mit konkreten Beispielen hinterlegt wird.
Immerhin 44 Prozent der Befragten haben schließlich das Gefühl, dass die Hessische Landesregierung ihre Interessen gut vertritt, 45 Prozent sind gegenteiliger Ansicht. Vor dem Hintergrund der Kritik am Funktionieren der Demokratie, dem geringen Institutionenvertrauen (siehe unten), aber auch vor dem Hintergrund der parteipolitischen Zuordnung von Wählerschaften ist dies ein recht guter Wert.
Nutzung von Infoangeboten über die Hessische Politik (Frage 7)
Nach wie vor werden die öffentlich-rechtlichen Angebote – sei es Fernsehen oder Radio – sowie danach folgend die Regionalzeitungen am meisten rezipiert, so auch in Hessen, wenn man sich über die hessische Politik bzw. die Politik der Hessischen Landesregierung informieren will. Dennoch nimmt der Anteil der Nutzer mit abnehmendem Alter massiv ab: Nutzen beispielsweise 63 Prozent der über 60jährigen das öffentlich-rechtliche Fernsehen häufig, sind dies bei den unter 30jährigen nur noch 23 Prozent.
Umgekehrt bei den Social-Media-Angeboten, die überproportional häufig von der jüngsten Altersgruppe genutzt werden. Allerdings bekunden 41 Prozent der unter 30jährigen auch, dass sie sich generell nicht über die hessische Politik informieren. Erst ab 50 Jahren wird die Zahl der Informationsunwilligen mit 20 Prozent deutlich geringer.
Bei den eigenen Informationsangeboten der Hessischen Landesregierung gibt es erkennbare Unterschiede: Sowohl die Internetauftritte als auch die Social-Media-Angebote werden von rund einem Drittel der hessischen Bevölkerung genutzt. Veranstaltungen vor Ort sind und bleiben ebenfalls für knapp 30 Prozent wichtig, und hier insbesondere für die über 60jährigen (35 Prozent).
Die Infomaterialien spielen eine etwas untergeordnete Rolle, aber immerhin 20 Prozent geben an, diese gelegentlich oder weniger häufig zu nutzen. Das Bürgertelefon spielt indes keine Rolle mehr, die Nutzerzahl bewegt sich um 5 Prozent – und auch bei den weniger Internet-affinen Älteren ist die Nutzerzahl kaum höher.
Hervorzuheben ist, dass – unabhängig vom Informationskanal - knapp 30 Prozent der Befragten angeben, sich gar nicht über die Politik in Hessen zu informieren. Diese Gruppe der faktisch kaum Erreichbaren ist bei den jüngeren Altersgruppen – wie bereits weiter oben beschrieben - mit 41 Prozent bei den 18-29jährigen und bei den 30-39jährigen mit 38 Prozent besonders hoch.
Bürgerschaftliches Engagement (Fragen 8 und 9)
Wo bringen sich die Bürgerinnen und Bürger selbst ein? Weit überwiegend im privaten Bereich (76 Prozent), gefolgt von Tätigkeiten in Vereinen (44 Prozent) oder auch gemeinwohlorientierten Organisationen (28 Prozent). Immerhin ein Viertel kann sich vorstellen, an Demonstrationen oder Protestveranstaltungen teilzunehmen oder sich in einer Bürgerinitiative vor Ort zu beteiligen.
Ansonsten ist der Bedarf an konkretem Engagement nicht stark entwickelt, im Gegenteil: Große Mehrheiten können sich beispielsweise nicht vorstellen, in Gewerkschaft, Kirchen oder in der Politik mitzuwirken. Nur bei Menschen mit höheren Bildungsabschlüssen ist die Abneigung nicht ganz so ausgeprägt.
Fragt man nach den konkreten Gründen, warum man sich nicht mehr engagiert, sind die Antworten vielfältig: Zeitmangel (26 Prozent), Alters- und gesundheitliche Gründe (jeweils 13 Prozent) oder eine Verlagerung der Interessen (12 Prozent) werden am häufigsten genannt. Es sind jedenfalls keine gesellschaftspolitischen Gründe, die die Menschen dazu bewegen, sich nicht zu engagieren, die private Motivationslage steht im Mittelpunkt.
Stärkung der Gesellschaft (Frage 10)
Die Bedeutung des Ehrenamtes steht für die Hessinnen und Hessen außer Diskussion: 88 Prozent der Befragten attestieren dem ehrenamtlichen Engagement beispielsweise in Sportvereinen oder der freiwilligen Feuerwehr Vorbildcharakter. Hilfe zur Selbsthilfe und der Gedanke der Subsidiarität wird als Kitt für den Zusammenhalt einer Gesellschaft angesehen: Über 80 Prozent der Befragten sind der Auffassung, dass staatliche Unterstützung keine „Einbahnstraße“ sein darf. Auch die Präsenz der Politik vor Ort stärkt für die übergroße Mehrheit der Befragten (85 Prozent) den Zusammenhalt.
Auch zum Wahlsystem hat die hessische Bevölkerung eine klare Meinung: 77 Prozent plädieren für ein einfaches und verständliches Wahlsystem, 75 Prozent fordern die Sicherstellung, dass direkt gewählte Abgeordnete auch im Parlament vertreten sind.
Protest schließlich ist für viele notwendig, um sich Gehör zu verschaffen (47 Prozent Zustimmung). In den Gruppen fällt dabei die unterdurchschnittliche Zustimmung der Katholiken auf (42 Prozent), die mehrheitlich klar anderer Auffassung sind.
84 Prozent der Hessinnen und Hessen stimmen schließlich der Aussage zu, dass die Mehrheit wieder gestärkt und gehört werden muss. Die hohen Zustimmungsraten zu dieser Aussage werden in allen Gruppen erreicht. Offenbar existiert ein diffuses Gefühl, dass Minderheiten zu sehr den Takt der öffentlichen Diskussion bestimmen und die Bedürfnisse der Mehrheit nicht angemessen zum Ausdruck kommen. Bei den weiter unten dargestellten Auffassungen zum Minderheitenschutz zeigt sich dabei aber auch deutlich, dass die hier eingeforderte „Stärkung der Mehrheit“ nicht gleichbedeutend ist mit einer Einschränkung von Minderheitenrechten.
Vertrauen in Institutionen und Organisationen (Frage 11)
Ergänzend zu den Fragen zum Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Demokratie ist für diese Untersuchung auch das Institutionenvertrauen abgefragt worden. Dabei wurden sowohl Bundes- wie Landes- und Kommunalinstitutionen randomisiert abgefragt. Die Antworten sind eindeutig und lassen sich wie folgt zusammenfassen: Je weiter die Institution aus dem privaten Wirkungskreis der Betroffenen entfernt ist, desto geringer ist auch das Vertrauen, das ihr entgegengebracht wird. Insgesamt ist dabei das Institutionenvertrauen gering oder faktisch gar nicht ausgeprägt. Die niedrigen Zustimmungswerte sind dabei nicht typisch für Hessen, sondern typisch für die Gesamtsituation in Deutschland, da die hier zum Ausdruck kommenden Werte und ihre Abstufungen auch in anderen von dimap betreuten Studien zum Ausdruck kommen.
Vertrauen wird mit großen Mehrheiten der Polizei, auch den Gerichten sowie Gewerbetreibenden und Vereinen in der Region, in der die Befragten leben, entgegengebracht. Das Vertrauen gegenüber den Institutionen im engeren Sinn ist weitaus geringer: Bürgermeister und Gemeindevertretung erzielen noch Werte um 50 Prozent, die Hessische Landesregierung und der Hessische Landtag folgen direkt dahinter mit 44 bzw. 43 Prozent. Am Ende der Skala stehen die Bundesregierung sowie die Medien, denen lediglich noch knapp 30 Prozent Vertrauen gegenüber aufbringen.
Interessanterweise schneiden hier die Parteien, die meist am unteren Ende von Vertrauensskalen rangieren, vergleichsweise gut ab: Fragt man nach den Parteien, denen die Befragten selbst nahestehen, sind die Werte mit insgesamt 52 Prozent im Mittelfeld. Würde man lediglich abstrakt nach den Parteien fragen, wären die Ergebnisse wesentlich niedriger.
Vorhaben und Maßnahmen der Hessischen Landesregierung (Frage 12)
Und wie werden die konkreten Vorhaben und Maßnahmen der Hessischen Landesregierung bewertet? Die Antworten zeigen zuerst einmal auf, dass vieles bekannt ist, die Hessinnen und Hessen eine Vorstellung haben und somit auch die jeweiligen Maßnahmen und Vorhaben bewerten können.
Darüber hinaus sind die hohen Zustimmungswerte bemerkenswert, kontrastiert diese konkrete Bewertung der praktischen Politik doch stark mit den niedrigen Demokratiewerten bzw. Institutionenwerten.
Fast unisono stimmt die hessische Bevölkerung mit rund 90 Prozent Zustimmung der Förderung der deutschen Sprache durch eine zusätzliche Deutschstunde in der Grundschule zu.
Auch die Maßnahmen zur Stärkung der Inneren Sicherheit werden von einer breiten Mehrheit gutgeheißen (jeweils 70 Prozent Zustimmung für den 7-Punkte Plan sowie die KI-unterstützte Videoüberwachung). Gleiches gilt für die Bezahlkarte für Flüchtlinge oder den Bürokratiemelder in der Hessischen Staatskanzlei mit fast 70 Prozent Zustimmung.
Die Einführung des Hessenfonds sowie des Hessengeldes findet ebenfalls eine breitgetragene Zustimmung in der hessischen Bevölkerung.
Die Verwendung einer bürgernahen Sprache („Genderverbot“) wird von 64 Prozent begrüßt, ein knappes Viertel ist ablehnend eingestellt, Menschen mit höherem Bildungsabschluss sogar zu einem Drittel.
Künstliche Intelligenz (Frage 13)
Die Einführung KI-gestützter Verwaltungsprozesse ist ein wesentlicher Faktor zu mehr Bürgerfreundlichkeit und Effizienz der öffentlichen Verwaltung und unterstreicht damit den handlungsfähigen Staat. Die hessische Bevölkerung hat dazu eine differenzierte Meinung, die Chancen und Risiken dieser Prozesse abwägt.
Ganz wichtig ist den Befragten, dass diese Form von Digitalisierung die älteren Menschen nicht abhängt, weil sie dadurch keinen Zugang zur Verwaltung mehr haben (85 Prozent Zustimmung).
Ansonsten unterscheiden die Befragten klar nach dem jeweiligen Nutzen für sich selbst: Während KI-Ausfüllhilfen für Formulare begrüßt werden (67 Prozent Zustimmung), wird der Einsatz von Chatbots auch kritisch gesehen (46 Prozent Zustimmung), der Einsatz von Sprachcomputern in der telefonischen Kommunikation abgelehnt (56 Prozent Ablehnung, bei den über 60jährigen 62 Prozent).
Während der Einsatz von KI-Hilfsmitteln in der Bürgerkommunikation somit differenziert oder gar kritisch betrachtet wird, ist die Zustimmung zum Einsatz von KI zur Lösung verwaltungsinterner Prozesse wesentlich höher: Über 60 Prozent der Befragten versprechen sich durch die Einführung von Künstlicher Intelligenz mehr Effizienz in der Verwaltung und Dokumentenverwaltung.
Diskriminierungsgrade von Minderheiten (Frage 14)
Die Antworten auf die Frage, ob in Hessen Minderheiten diskriminiert oder nicht diskriminiert werden, fallen sehr unterschiedlich aus.
Eine Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts oder des Alters sehen weniger als 30 Prozent der Befragten, eine Diskriminierung wegen der Religion ein gutes Drittel (36 Prozent). Überwiegend sind die Befragten allerdings der Auffassung, dass diese Gruppen nicht oder eher nicht diskriminiert werden. Im Hinblick auf Behinderung, sexuelle Orientierung sowie soziale Stellung sind die Meinungen uneinheitlich: Die Zahl derjenigen, die die Diskriminierung sehen sowie die Zahl derjenigen, die diese nicht sehen, halten sich ungefähr die Waage. Eine klare Meinung hat die hessische Bevölkerung allerdings zur Diskriminierung aufgrund von Herkunft und Hautfarbe: Mehrheiten von 57 Prozent (Herkunft) beziehungsweise 55 Prozent (Hautfarbe) sehen diese Gruppen in Hessen als diskriminiert oder eher diskriminiert an.
Einsatz der Hessischen Landesregierung (Frage 15)
Insgesamt wünschen sich die Befragten ein deutlicheres Engagement der Landesregierung gegen Diskriminierung: 54 Prozent sind der Auffassung, dass die Landesregierung zu wenig oder eher zu wenig gegen Diskriminierung tue, lediglich 15 Prozent sind gegenteiliger Auffassung. Auffallend ist hier zum einen, dass diese Zahlen in den einzelnen sozio-demografischen Gruppen wenig differieren. Zum anderen ist die Zahl derjenigen, die die Frage mit „weiß nicht“ beantworten, mit 28 Prozent sehr hoch.
Verbesserung der Situation gesellschaftlicher Gruppen (Frage 16)
Fragt man konkret nach Maßnahmen, um die Lebenslage einzelner gesellschaftlicher Gruppen zu verbessern, sind die Antworten eindeutig: Über 80 Prozent sind der Auffassung, dass Menschen in Arbeit gebracht werden müssen und bei allen Einzelmaßnahmen das Gesamtwohl - sprich die Mehrheit der Bevölkerung - nicht aus dem Blick gelassen werden darf (82 Prozent). Und auch die Bringschuld der Minderheiten Staat und Gesellschaft gegenüber sieht eine klare Mehrheit von 73 Prozent. Die Rahmenbedingungen für mehr Engagement der Hessischen Landesregierung werden somit deutlich beschrieben: Mehr Einsatz gegen Diskriminierung und für eine tolerante Gesellschaft (72 Prozent Zustimmung), dabei aber die Mehrheitsauffassung der Bevölkerung nicht aus dem Blick verlieren.
Die Forderung, Themen und Perspektiven von Minderheiten stärker im Schulunterricht anzusprechen, erfährt ebenfalls Zustimmung (65 Prozent), allerdings stimmt rund ein Viertel der Befragten der Forderung weniger zu. Insgesamt bleiben dabei nicht nur bei dieser Frage die Unterschiede in der Gruppe mit Migrationshintergrund marginal bis nicht erkennbar.
Konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie (Frage 17)
Fragt man nach konkreten Maßnahmen, die die Hessische Landesregierung zur Stärkung der Demokratie in Angriff nehmen soll, gibt es mehrfach breite Zustimmung: So begrüßen 82 Prozent der Befragten die Stärkung des Ehrenamtes und des zivilgesellschaftlichen Engagements. Auch die Offenlegung politischer Entscheidungsprozesse wird von knapp 80 Prozent angemahnt. Auch findet eine große Mehrheit, dass die Projekte und Maßnahmen zur Demokratieförderung, die aus Steuergeld finanziert werden, fortgesetzt werden sollen. Gleichzeitig wird aber angemahnt, dass diese Projekte auch auf Wirksamkeit evaluiert werden sollen. Der Einsatz von Politikern „vor Ort“ wird ebenfalls begrüßt (73 Prozent) wie die Stärkung der Landeszentrale für politische Bildung (71 Prozent).
Dennoch stößt bei den Hessinnen und Hessen nicht alles an vorgeschlagenen Maßnahmen auf Zustimmung: Die Einführung von sogenannten Meldestellen ist strittig: 50 Prozent stimmen zu, rund 30 Prozent lehnen ab. Auffallend dabei ist, dass rund ein Fünftel der Befragten mit dem Thema gar nichts anzufangen weiß. In den mittleren Altersgruppen und bei Ortsgrößen unter 10.000 Einwohnern ist die Ablehnung mit rund einem Drittel dabei am ausgeprägtesten. Auch die Beauftragten für gesellschaftliche Minderheiten erfahren nicht ungeteilte Zustimmung. Zwar sind 62 Prozent der Auffassung, dass diese in Hessen weiter bestehen sollten, immerhin ein knappes Viertel ist aber gegenteiliger Auffassung.
3. Zusammenfassung
- Die Hessinnen und Hessen fühlen sich wohl in ihrem Bundesland, sie identifizieren sich in hohem Maße mit Hessen.
- Hessen steht für eine relative Mehrheit besser da als die Bundesrepublik Deutschland.
- Eine knappe Mehrheit von rund 50 Prozent der Befragten ist der Auffassung, dass die Demokratie in Deutschland nicht oder eher weniger funktioniert.
- Eine breite Mehrheit von knapp 60 Prozent der Befragten ist der Meinung, dass die Demokratie in Hessen sehr gut oder eher gut funktioniert, ein deutlicher Kontrast zur negativen Einschätzung dem Bund gegenüber.
- Große Mehrheiten bemängeln, dass die öffentliche Ordnung erodiert (86 Prozent) und der Staat in Bürokratie erstickt (77 Prozent).
- Kommunalpolitik und Bildungspolitik erhalten in Hessen Zustimmungswerte über 50 Prozent.
- Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist weiterhin bevorzugtes Medium, um sich über Hessen zu informieren. Informationsangebote der Landesregierung werden je nach Kanal unterschiedlich stark genutzt. Knapp 30 Prozent informieren sich allerdings gar nicht über die hessische Politik.
- Das Engagement im privaten Bereich ist für die Hessinnen und Hessen von besonderer Relevanz (76 Prozent). Vereinsengagement ist ebenfalls wichtig, darüber hinaus spielt Engagement im vorpolitischen Raum für die Mehrheit der hessischen Bevölkerung nur eine untergeordnete Rolle.
- Engagement in Vereinen und staatliche Unterstützung, die keine Einbahnstraße sein darf, stehen im Zentrum der Maßnahmen, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. Auch ein einfaches Wahlsystem mit direkt gewählten Abgeordneten in den Parlamenten gehört dazu.
- Polizei und Menschen in der Region führen das Vertrauensranking an, die Bundesregierung sowie die Medien stehen am Ende der Vertrauensskala.
- Die Maßnahmen und Vorhaben der Hessischen Landesregierung stoßen auf breite Unterstützung der Bevölkerung, manche der Maßnahmen sind bei einem Teil der Bevölkerung noch nicht bekannt.
- Die Bevölkerung begrüßt generell den Einsatz von KI in der öffentlichen Verwaltung, will aber beim Kontakt mit der Verwaltung nicht durchgängig damit konfrontiert werden.
- Die Befragten sehen mehrheitlich Menschen aufgrund Herkunft und Hautfarbe als diskriminiert an, bei Alter, Geschlecht und Religion sieht die Mehrheit keine Diskriminierung.
- Eine breite Mehrheit ist der Auffassung, dass die Hessische Landesregierung zu wenig oder eher zu wenig gegen Diskriminierung unternimmt.
- Bei der Verbesserung der Situation einzelner gesellschaftlicher Gruppen sollte das Prinzip gelten, dabei auch immer die Mehrheit der Bevölkerung im Blick zu halten. Ebenso wichtig ist es, Menschen in Arbeit zu bringen.
- Die Förderung des Ehrenamtes sowie die Forderung nach mehr Transparenz in politischen Entscheidungsprozessen ist der Bevölkerung mit Blick auf konkrete Maßnahmen der Hessischen Landesregierung besonders wichtig. Meldestellen werden hingegen nicht durchgehend positiv bewertet.
Ansprechpartner
Simon Schlinkert | Dr. Robert Mühle
dimap – das Institut für Markt- und Politikforschung GmbH