Europa nach den Wahlen: Überraschung bei der Parlamentswahl in Portugal

Entgegen allen Umfragen der vergangenen Woche hat die sozialdemokratische Partei (PS) mit ihrem Regierungschef António Costa die absolute Mehrheit im Parlament erreicht und kann nun allein regieren. Der portugiesische Journalist, António Cascais, hat die Wahlergebnisse am 31. Januar in der Hessischen Landesvertretung analysiert.

Der alte Regierungschef wird auch der neue sein

Regierungschef Costas Partei PS und die Mitte-rechts Partei PSD mit Rui Rios sind die beiden großen Traditionsparteien in Portugal, führte Cascais aus. Und obwohl Umfragen noch eine Woche vor der Wahl ein knappes Rennen zwischen diesen beiden großen Parteien vorausgesagt hatten, konnte sich Costa, der als Vollblutpolitiker gilt, im Vergleich zur Wahl 2019 so weit verbessern, dass er sein Ziel einer absoluten Mehrheit im Parlament erreicht hat. Europastaatssekretär Mark Weinmeister hob in seiner Begrüßungsansprache hervor, dass Portugal durch einen starken Zusammenhalt und ohne großen Streit und Demonstrationen gut durch die Corona-Krise gekommen sei. Damit sei vielleicht auch zu begründen, dass man der Partei sein Vertrauen schenkt, die auch während der gesamten Krise die führende Rolle in der Regierung innehatte.

Rückblick

Costa hat seit Ende 2015 zwei Minderheitsregierungen angeführt, die von kleineren linken Parteien, wie dem Linksblock (BE), den Kommunisten (PCP) und den Grünen (PEV), unterstützt wurden. Die Zusammenarbeit zerbrach im Herbst 2021, als der Linksblock im Parlament zusammen mit der konservativen Opposition Costas Haushaltsentwurf für 2022 ablehnte. Daraufhin hatte Präsident Marcelo Rebelo de Sousa Anfang November 2021 Neuwahlen ausgerufen.

António Cascais, Freier Journalist
António Cascais, Freier Journalist

Präsentation des Wahlergebnisses mit António Cascais

Nach Auszählung von 99,13 Prozent der Stimmen sind insgesamt neun Parteien im neuen Parlament vertreten. Im Vergleich zu vielen europäischen Mitgliedstaaten gibt es in Portugal keine Sperrklausel. Die Mitte-rechts Partei PSD hat sich zum letzten Ergebnis 2019 kaum verändert. Die rechtsextreme Partei CHEGA und die liberale Gruppierung (IL) haben dazugewonnen. Alle weiteren linke und rechte Parteien haben teilweise hohe Stimmenverluste eingefahren, führte Cascais aus:

Die Sozialistische Partei (PS) hat die absolute Mehrheit erreicht mit 41,68 Prozent und derzeit 117 Sitzen im Parlament (im Vgl. zu 2019 36,3%). Die zweitstärkste Mitte-rechts Partei (PSD) von Rui Rio kam mit 27,8 Prozent der Stimmen und 71 Sitzen auf Platz zwei. Die rechtspopulistische Partei CHEGA hat ihr Ziel, sie wollte drittstärkste Partei werden, mit 7,15 Prozent erreicht (2019/1,29 und einen Sitz) und somit den Linksblock BE auf Platz 5 verdrängt. Auf Platz vier konnte sich die liberale Initiative (IL) mit 4,98% etablieren (2019/1,29%). Die Partei CDU (ein Bündnis aus Kommunisten, Grüne und Linke) fiel von 6,34 auf 4,39 Prozent und liegt damit auf Platz sechs. Auch die christdemokratische Partei CDS/PP musste Federn lassen von 4,22 auf 1,6 Prozent und hat keinen Sitz im Parlament errungen. Das habe dazu geführt, dass ihr Vorsitzender nach dem Wahlergebnis zurückgetreten ist, um Schaden von seiner Partei abzuwenden. Auch starke innerparteiliche Auseinandersetzungen könnten zu dem Rücktritt beigetragen haben, schlussfolgerte Cascais. Die Partei PAN (Grüne) hat sich halbiert und kommt nur noch auf einen Sitz im Parlament, während die LIVRE Partei (Freiheit) sich mit einem Sitz minimal verbessert hat. Überraschend sei auch die hohe Wahlbeteiligung mit fast 58 Prozent, damit höher als bei der letzten Wahl 2019 mit knapp 49 Prozent. Und das, obwohl sich zurzeit fast 1.2 Millionen Portugiesen in Quarantäne befinden.

Gudrun Engel, Fernsehkorrespondentin im WDR-Studio Brüssel, hat die Veranstaltung moderiert
Gudrun Engel, Fernsehkorrespondentin im WDR-Studio Brüssel, hat die Veranstaltung moderiert

Wie kam es zu dem Wahlerfolg?

Im anschließenden Gespräch mit der Fernsehkorrespondentin im WDR-Studio Brüssel, Gudrun Engel, standen vor allem die Gründe für den Wahlerfolg des Ministerpräsidenten im Vordergrund. In erster Linie sei der Wahlerfolg im Wunsch der Portugiesen nach Stabilität und Kontinuität begründet. Eine Mehrheit wollte auch keinen rechten Umschwung im Land sehen, beispielsweise durch Stärkung von rechten Parteien wie der rechtspopulistischen „CHEGA“. Natürlich habe auch das Corona-Management der Regierung eine Rolle gespielt. Ihre Maßnahmen, wie das überaus erfolgreiche Impfprogramm, das von den Parteien im Parlament, insbesondere der PSD mitgetragen wurde, ist von der Bevölkerung gut angenommen worden. Auch das Image des Ministerpräsidenten als angesehener und erfahrener Politiker, ein „political animal“, habe ihm viel Unterstützung gebracht, ergänzte der Journalist. Cascais zeigte sich überzeugt, dass in erster Linie die Person des Ministerpräsidenten im Vordergrund gestanden hat. Er beschrieb dessen Politik in Portugal als glaubwürdig, sie werde nicht grundlegend in Frage gestellt. Gleichwohl gebe es die Interpretation, dass Costa die negative Abstimmung zur Haushaltsvorlage im Parlament im letzten Jahr provoziert habe, um mit Neuwahlen eine Mehrheit zu erreichen. Wenn dem so war, dann hat er sein Ziel letztendlich jetzt erreicht, so Cascais.

Wie geht es weiter?

Da keine Verhandlungen über die Unterstützung durch andere Parteien erforderlich sind und auch eine große Kabinettsumbildung offenbar nicht in der Diskussion ist, könnte die Regierung zügig vereidigt und somit der Haushaltsentwurf verabschiedet werden, meinte Cascais. Da auch die traditionell positive EU-Orientierung Portugals und die erfolgreiche Vertretung der Landesinteressen auf EU-Ebene Costa beliebt gemacht haben, scheint ein Interesse an einer europäischen Spitzenposition, wie die des Ratspräsidenten, denkbar. Möglich wäre dann vielleicht ein Rückzug nach zwei Jahren Amtszeit und ein Wechsel nach Brüssel.

Die komplette Veranstaltung im Video finden Sie hier:

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