Die Vermessung der Demokratie – Ein Theaterabend über Wilhelm Leuschner

Am 10. Mai wurde erstmals in der Hessischen Landesvertretung in Brüssel ein Theaterabend mit Schauspiel und Musik ausgerichtet: Es ging um das Leben und Wirken des sozialdemokratischen Gewerkschaftsführers und Politikers Wilhelm Leuschner im Widerstand gegen die NS-Diktatur.

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Eingeladen zu diesem außergewöhnlichen Theaterabend „Die Vermessung der Demokratie“ - Ein Wilhelm Leuschner Portrait“ hatte die Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten Lucia Puttrich. Drehbuchautor ist der Schauspieler Jan Uplegger, der selbst gemeinsam mit Yumiko Tsubaki (Violine) und Maria Hinze (Klavier & Akkordeon) zu Gast war und das Publikum von Beginn an in seinen Bann zog. Für das historisch spannende und sehr bewegende, musikalisch und szenisch wertvolle und kurzweilige Theaterstück erhielt die Schauspielgruppe begeisterten Applaus. Friedrich von Heusinger, der Leiter der Landesvertretung in Brüssel, betonte in seinem Grußwort, dass an diesem Abend mit Wilhelm Leuschner ein großer Hesse gewürdigt werde. Er erinnerte an Stationen aus dem Leben Leuschners, der im Untergrund Widerstand gegen das NS-Terrorregime leistete, unter schwierigsten Bedingungen an der gewerkschaftlichen Vernetzung arbeitete und dies am Ende mit seinem Leben bezahlen musste.

Diskussion mit Ministerpräsident Volker Bouffier a.D., Jan Uplegger und  Dr. Ludger Fittkau, freier Journalist aus Darmstadt und seit 1995 für den Deutschlandfunk tätig
Diskussion mit Ministerpräsident Volker Bouffier a.D., Jan Uplegger und Dr. Ludger Fittkau, freier Journalist aus Darmstadt und seit 1995 für den Deutschlandfunk tätig

Im Anschluss diskutierten Ministerpräsident Volker Bouffier a.D., Schauspieler Jan Uplegger und Dr. Ludger Fittkau, einem freien Journalisten und Leuschner-Experten, über das historische Thema und dessen Bedeutung für die Gegenwart, auch in Abgrenzung zum erstarkenden politischen Extremismus. Der langjährige Ministerpräsident lobte das Theaterstück als „eindrucksvolle und faszinierende Darbietung“. „Man braucht engagierte Demokraten“, sagte Volker Bouffier und unterstrich sein Lob für das Theaterstück zu einem thematischen Kontext, der gerade auch heute noch von großer Relevanz sei: Der Einsatz gegen Extremismus! „Denn Freiheit und Demokratie sind keine Selbstläufer, sie sind immer bedroht“. Volker Bouffier hatte in seiner Amtszeit die Wilhelm Leuschner Medaille, die höchste Auszeichnung des Landes Hessen, an über 30 Preisträgerinnen und Preisträger vergeben, die hervorragende Verdienste um die demokratische Gesellschaft und ihre Einrichtungen erworben haben. Dr. Fittkau sprach in der Diskussion insbesondere die zivile Dimension des Umsturzversuchs vom 20. Juli 1944 an, an dem Akteure wie Wilhelm Leuschner an zentraler Stelle mitwirkten. Er erinnerte auch die historische Relevanz von Persönlichkeiten wie Ludwig Bergsträsser, der beispielsweise nach dem Krieg am neuen deutschen Grundgesetz mitgeschrieben hatte, Marie-Elisabeth Lüders, aber auch Käthe Kern, gerade auch für Hessen. Graf Stauffenberg wäre ohne die zivilen Akteure nicht so weit in seinem Umsturzversuch gekommen, hob Dr. Lutger Fittkau, hervor, auch wenn die zivile Dimension der Widerstandsbewegung oftmals nicht in gleichem Maße in den Medien beleuchtet werde. Im Übrigen sei auch die Rolle von Frauen im Widerstand gegen die NS-Diktatur bedeutend gewesen. Dr. Fittkau führte weiter aus, dass Wilhelm Leuschner „immer europäisch gedacht“ habe. Ihm sei die Vernetzung mit Mitstreiterinnen und Mitstreitern im Ausland sehr wichtig gewesen, etwa zur britischen Labour-Partei, aber auch die Kontakte nach Frankreich und in die Niederlande. Dr. Fittkau erläuterte weiter, dass noch weiterhin Forschungspotenzial zu der Thematik Widerstand gegen die NS-Diktatur bestehe, gerade auch hinsichtlich des lokalen Widerstandes. In diesem Zusammenhang regte er konkret ein Engagement durch Rechercheprojekte hessischer Schulen an.

Wie kam es zu der Realisierung des Theaterstücks?

Jan Uplegger erklärte, dass das Theaterstück fast ausschließlich auf Originalquellen (wie Briefen und Reden) Leuschners beruht. Dafür dankte Jan Uplegger der Wilhelm-Leuschner-Stiftung mit Sitz in Bayreuth, die dies durch sehr viele und hochwertige Quellen ermöglicht habe. Uplegger habe besonders während der Corona-Pandemie, als Theaterauftritte nicht möglich waren, die Quellen gesichtet, ausgearbeitet und das Stück geschrieben. Aber das Theaterstück sei auch aus einer besonderen persönlichen Motivation entstanden: „Die Nähe zu meinem hessischen Großvater, einem wandelnden Geschichtslexikon, hat meine Leidenschaft für die Thematik geweckt“, ergänzte der Drehbuchautor.

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