„Verfassung, Demokratie und Freiheit in Deutschland und Europa - Herausforderung seit 175 Jahren“

Erinnerung an die historische Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche: Rückblick auf die europäische Dimension der Revolution von 1848 und Diskussion über die damals wie heute bestehenden Herausforderungen mit Prof. Dr. Fahrmeier von der Johann Wolfgang Goethe-Universität.

Eingeladen zu der Veranstaltung mit dem Titel „Verfassung, Demokratie und Freiheit in Deutschland und Europa - Herausforderung seit 175 Jahren“ hatte Europaministerin Lucia Puttrich am 5. Juni 2023 in die Hessische Landesvertretung in Brüssel.

Prof. Fahrmeir erläuterte und analysierte in seinem Vortrag die Zusammenhänge und Hintergründe der europäischen Revolutionsprozesse in den Jahren um 1848. Dabei unterstrich er, dass diese Revolutionen ganz Europa betrafen und erfassten, da es fast gleichzeitig zwischen den Pyrenäen und der Donaumündung, dem Öresund und Sizilien zu miteinander verflochtenen Revolutionen kam. Den Umstand, dass die Ziele der jeweiligen Revolutionäre, Demokratisierung, Liberalisierung und Konstitutionalisierung nicht ausreichten, um einen europäischen Frieden zu begründen, führte Prof. Fahrmeir vor allem auf die Tatsache zurück, dass die nationalen Kräfte eine gewisse Leidenschaft dafür entwickelten, historische Argumente für die angestrebten Grenzziehungen zugrunde zu legen. Als Zwischenfazit sah Prof. Fahrmeir die Ergebnisse der 1848er-Revolutionen so, dass viele Themen von damals heute für uns keine Relevanz mehr besitzen. Jedoch seien auch andere Probleme heute nach wie vor aktuell, nämlich das Verhältnis zwischen Verfassungsentwürfen und Verfassungsrealitäten, das Verhältnis direkter und repräsentativer Elemente in liberalen Demokratien, der Umgang mit kulturellem Pluralismus und Homogenitätserwartungen und wie wir am Ukraine-Krieg sehen, das Verhältnis von Staatsgrenzen und Expansionsansprüchen.

Vortrag Prof. Dr. Andreas Fahrmeir, Goethe-Universität Frankfurt zum Thema „„Verfassung, Demokratie und Freiheit in Deutschland und Europa - Herausforderung seit 175 Jahren“
Vortrag Prof. Dr. Andreas Fahrmeir, Goethe-Universität Frankfurt zum Thema „„Verfassung, Demokratie und Freiheit in Deutschland und Europa - Herausforderung seit 175 Jahren“

Im anschließenden sehr lebhaften Expertengespräch mit Dr. Thomas Gutschker von der Frankfurter Allgemeine Zeitung und in der offenen Fragerunde mit dem Publikum kristallisierte sich heraus, dass es zwar gewisse Zusammenhänge und auch eine begrenzte Kausalität zwischen den verschiedenen 1848er-Revolutionen in Europa gab, jedoch nicht so nachhaltig, wie wir das aus heutiger Sicht annehmen könnten. Als klaren Indikator könne man die Inhalte der damaligen Zeitungen nennen, sagte Prof. Fahrmeir. Zur damaligen Zeit habe es die breit gefächerte internationale mediale Präsenz (Fernsehen, Radio, internationale Presse und das Internet) noch nicht gegeben. Und nur einige wenige Zeitungen hätten über den regionalen Bereich hinaus berichtet. Die Frage von Dr. Gutschker, ob man die Ergebnisse der damaligen Revolutionsansätze als Niederlage betrachten müsse, verneinte Prof. Fahrmeir. Zwar hätten sich die Ziele und Gedanken der damaligen Revolutionäre nicht unmittelbar umsetzen lassen, jedoch habe die 1848-Bewegung viele heutige Institutionen vorgebildet. Er führte weiter aus, die Paulskirche lasse sich mit dem heutigen Bundestag vergleichen. Auch habe es eine überstaatliche Institution gegeben, die die einzelnen Staaten verbinden sollte. Gleichwohl gebe es natürlich eklatante Unterschiede zu heutigen Verhältnissen, insbesondere mit Blick auf die Wahl der Volksvertreter. Angesprochen wurde auch die Idee eines Europäischen Gedenktages hinsichtlich der Revolutionen, zumal diese nahezu zeitgleich stattgefunden hatten.

Insgesamt sahen die beiden Diskutanten in der Entwicklung um 1848 einen ganz wichtigen Schritt auf dem Weg zur heutigen demokratischen Gesellschaft unseres Landes und Europas.

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