Mit der Filmvorführung „Das schweigende Klassenzimmer“ und einem anschließenden Gespräch mit Karsten Köhler, Zeitzeuge und Klassensprecher der Abiturklasse, deren Geschichte die Grundlage für den Film bildet, sollte an die Zeit vor dem Mauerfall erinnert und Geschichte erfahrbar gemacht werden. Die Diskussion drehte sich um Politik, Jugend und Zivilcourage.
Nach der Begrüßung durch Pascal Albrechtskirchinger, Leiter des ZDF-Europabüros in Brüssel, und Friedrich von Heusinger, Leiter der Vertretung des Landes Hessen bei der EU, hatten die Zuschauer die Möglichkeit, anhand der im ZDF-Fernsehfilm „Das schweigende Klassenzimmer“ dargestellten persönlichen Schicksale, Geschichte eindrucksvoll zu erleben.
Grundlage zu dieser Verfilmung ist das Tagebuch von Dietrich Garstka, einem der 19 Schüler, die sich 1956 gegen den Staatsapparat der DDR gestellt hatten. Die Klasse habe etwas gemacht, was für die in Westdeutschland bzw. im wiedervereinigten Deutschland geborene und lebende Generation mittlerweile selbstverständlich ist: Sie hat eine Schweigeminute für Solidarität mit den Opfern des Ungarn-Aufstandes und damit gegen staatliche Willkür, Diktatur und Militärmacht während des regulären Unterrichts eingelegt. Diese Schweigeminute veränderte das Leben von Karsten Köhler und seinen Klassenkameraden für immer.
Botschafter Kotthaus lobte in seiner Ansprache den Film, der packend und berührend von Solidarität, Freundschaft, Zivilcourage und Freiheit erzähle. Aus einer symbolischen Geste - der Schweigeminute - sei eine Staatsaffäre geworden. Die Klasse wurde nicht zum Abitur zugelassen und den Schülerinnen und Schülern blieb schließlich nur der Ausweg, ihre Familien und ihr persönliches Umfeld zurückzulassen und wegzugehen. Es sei beeindruckend, wie Menschen auch unter maximalem Druck zusammenhalten. Er erinnerte an die friedliche Revolution des Mauerfalls und den großen Mut zehntausender Menschen, deren Sehnsucht nach Freiheit die Mauer überwunden habe. Ohne die Unterstützung der europäischen Nachbarn, der alliierten Schutzmächte und vieler anderer wäre das Ende der Teilung Deutschlands nicht möglich gewesen. Auch damals sei die Einigkeit stark gewesen. In den Zeiten, in denen wieder nach nationalen Grenzen gerufen werde, auch gerade in der EU, spüre man, wie kostbar der europäische Zusammenhalt ist. Für ihn sei die Europäische Union eine beispiellose Erfolgsgeschichte, in der Brücken statt Mauern gebaut wurden. Nur ein Europa, das geschlossen auftrete, könne die Welt verändern, so Kotthaus.
In dem anschließenden Gespräch mit Gunnar Krüger, ZDF Korrespondent im Studio Brüssel, erzählte Karsten Köhler seine persönliche Geschichte. Der Film sei ein Spielfilm und keine Dokumentation. Er orientiere sich nahe an der erlebten Geschichte, sagte Köhler, weiche aber an einigen Stellen von den tatsächlichen Gegebenheiten ab. Karsten Köhler schilderte, dass die Klasse zuerst stolz auf ihre eingelegte Schweigeminute gewesen sei. Doch dann folgten Wut, Ohnmacht und ein Gefühl der Hilflosigkeit und vor allem auch Angst, was nun mit ihnen passieren würde. Damals sei der Zusammenhalt auf eine harte Probe gestellt worden, erinnerte sich Köhler. Doch die Klasse habe auch trotz Verdächtigungen, Verhören und Drohungen zusammengehalten. Nach Auflösung der Klasse durch die staatlichen schulischen Stellen seien sie Weihnachten 1956 – mit Ausnahme von vier Klassenkameraden – geschlossen nach Westdeutschland – erst nach Westberlin, dann nach Bensheim - geflohen. „Freiheit ist leicht gesagt, wenn man sie hat“, betonte er. Auch werde Freiheit in den Ländern unterschiedlich gesehen. Daher wünsche er sich, dass man sich darauf verständigt, was man unter dem Begriff „persönliche Freiheit“ versteht.