Europastaatssekretär Mark Weinmeister hob in seiner Begrüßungsrede hervor, dass der „Europäische Traum“ aus den Ruinen des Zweiten Weltkrieges hervorgegangen sei. Heute stehe die Europäische Union für einen einzigartigen und vielfältigen kulturellen Raum und Binnenmarkt. Angesichts aktueller geopolitischer Veränderungen gelte es, den „Europäischen Traum“ zu reflektieren, weiterzuentwickeln und die Zukunftsperspektiven zu diskutieren. Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e.V., unterstrich in diesem Zusammenhang den Anspruch des Börsenvereins, einen wesentlichen Beitrag zum Schutz der Demokratie und dem Erhalt einer toleranten Gesellschaft zu leisten.
Über ihre Sichtweisen zu Europa sprachen die Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2018, Prof. Dr. Aleida und Prof. Dr. Jan Assmann. Aleida Assmann hob dabei hervor, dass sie inzwischen in drei verschiedenen Stadien der EU gelebt habe, die sich stark voneinander unterschieden. Zuerst erlebte sie Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. In der Zeitspanne von 1945 bis 1989 sei viel vom „christlichen Abendland“ die Rede gewesen. Europa sei damals ein Teil des Westens gewesen, während der Osten “versperrt“ war – es herrschte der Kalte Krieg. Das Europa dieser Tage nennt sie das „Europa der Polarisierung“, in dem zweigegensätzliche Ideologien - des Kapitalismus und des Kommunismus - die Gegenpole bildeten. Die zweite Phase schloss sich von 1989 bis 2015 an. Aleida Assmann bezeichnet dies als das „Europa der Pluralisierung“. Mit dem Fall der Mauer und der Erosion des Staatssozialismus sei die Integrationskraft der Polarisierung erschöpft gewesen. Die dritte und andauernde Phase begann 2015, ausgelöst durch die Flüchtlingsströme in Richtung der europäischen Staaten. Aktuell werde das „pluralistische Europa“ durch einen nationalistischen Gegenwind und aggressive fremdenfeindliche Töne auf eine harte Probe gestellt, so Aleida Assmann. Jan Assmann betonte in seiner Rede, dass die Europäische Union und der europäische Gedanke auf zwei Erfahrungen fußten. Einerseits sei die europäische Einigung aus den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs hervorgegangen. Der Sinn und die Bedeutung des „Projekts Europa“ könnten nicht verstanden werden, wenn man diesen Zusammenhang nicht erkenne. Andererseits reiche das „kulturelle Gedächtnis“ noch viel weiter zurück. Wenn es so etwas wie eine europäische Identität gebe – oder künftig geben solle – dann könne dies nur unter Berücksichtigung der Historie und der Wahrung der kulturellen Vielfalt in Europa gelingen. Das „europäische kulturelle Gedächtnis“ sei einzigartig auf der Welt. Es speise sich aus den Quellen Athens mit seiner Kunst-, Philosophie- und Demokratiehistorie sowie Jerusalems mit seiner religiösen Bedeutung.
Anschließend diskutierten Dr. Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, der Europaabgeordnete Manfred Weber, Dr. Robert Habeck, Bundesvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sowie Prof. Dr. Jan-Eric Cedermann, International Conflict Research, ETH Zürich. Niklaus Nuspliger, politischer Korrespondent der «Neuen Zürcher Zeitung» in Brüssel, moderierte die Veranstaltung.