Dem Thema widmeten sich Experten auf Einladung der Hessischen Europaministerin Lucia Puttrich, des Hessischen Ministers für Finanzen Dr. Thomas Schäfer und des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) am 15. Oktober 2019 in der Hessischen Landesvertretung in Brüssel.
Im Rahmen der Veranstaltung diskutierten Dr. Martin J. Worms, Staatssekretär des Hessischen Ministeriums der Finanzen, Olivier Guersent, Generaldirektor GD FISMA Europäische Kommission, der Europaabgeordnete und ECON Koordinator Markus Ferber, Dr. Marcus Chromik, Mitglied des Vorstands und Chief Risk Officer der Commerzbank, Peter Fleischer, Head of Investor Relations der Voestalpine AG, und Dr. Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer des BdB, über die bevorstehende Umsetzung der neuen Baseler Standards. Die Regelungen dienen zum einen der Stärkung der Eigenkapitalausstattung des Bankensystems. Zum anderen sollen neue Standards zur Berechnung des Eigenkapitalbedarfs international tätige Institute weltweit besser vergleichbar machen und eine Angleichung von Wettbewerbsbedingungen für diese Banken erreichen.
Dr. Martin Worms wies in seinem Eingangsstatement insbesondere auf die teilweise gravierenden Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen, das Fördergeschäft der Förderbanken und den Immobiliensektor hin. Aus seiner Sicht bestehe die Herausforderung letztlich darin, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen stabilen Finanzinstituten auf der einen Seite und der notwendigen Kreditversorgung der Realwirtschaft auf der anderen Seite zu finden. Denn überlastete Banken seien kaum in der Lage, Unternehmen mit ausreichender Liquidität zu versorgen.
Generaldirektor Guersent betonte, dass die von der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde berechnete Gesamtkapitallücke in der EU mit einer Höhe von 135 Mrd. Euro, die aus den ansteigenden Mindestkapitalanforderungen bei Banken resultieren, nicht dazu führen könne, dass von dem in Basel gefundenen Kompromiss elementar abgewichen werde. Gleichwohl werde die Kommission über die Berücksichtigung der Besonderheiten des europäischen Bankensektors, wie der hohe Anteil ungerateter Unternehmen, nachdenken und dabei auch die gesamte europäische Finanzierungslandschaft im Blick behalten.
In der folgenden Diskussion ging es insbesondere um die Folgen der erforderlichen Kapitalerhöhung bei den Instituten und die Ermessensspielräume der Kommission bei der Umsetzung des Baseler Kompromisses.
Laut Dr. Chromik stellen die Vereinbarungen echte Herausforderungen dar. Der erforderliche Zuwachs des Kapitals bei den Instituten von durchschnittlich etwa 30 Prozent werde sieben oder acht Jahre in Anspruch nehmen. Die Banken sollten gleichwohl ruhig bleiben, da es nach der Krise sehr viel Zeit gebraucht habe, um das Vertrauen der Politik und der Investoren wiederzuerlangen. Der Europaabgeordnete Ferber betonte, dass festverzinsliche Darlehen, Hypotheken und das Rating der Unternehmen eine Herausforderung darstellen. Man müsse vermeiden, dass Unternehmen ohne ein Rating gezwungen werden, ihre Finanzierungsmittel außerhalb der EU zu finden. Dem stimmte Peter Fleischer zu und fügte darüber hinaus an, dass man die Handhabung in anderen Regionen betrachten sollte. Eine starke Verbindung zwischen der Realwirtschaft und der Industrie mit den Banken sei wünschenswert, daher sollte man das funktionierende System nicht zerstören.
Letztlich bestand Konsens darüber, dass die Kommission, soweit möglich, ihren Handlungsspielraum nutzen und die erforderlichen Besonderheiten berücksichtigen soll. Erhebliche Abweichungen von der bereits getroffenen Baseler Vereinbarung seien kaum denkbar, da sonst international bestehende Kompromisse und Vereinbarungen an Glaubwürdigkeit verlieren würden.
In seinem Schlusswort verwies Dr. Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer des BdB, auf die Auswirkungen einer Eins-zu-eins-Umsetzung der Baseler Bankenstandards auf die europäischen Banken mit Blick auf die erheblich ansteigenden Kapitalanforderungen, aber auch auf die Unternehmensfinanzierung mit Blick auf erhöhte Kosten. Zudem begrüßte er, dass die Europäische Kommission mit ihrer Konsultation und Anhörung derzeit Einschätzungen sammelt, um sich ein besseres Bild zu möglichen Umsetzungsszenarien zu schaffen.