Im Fokus stand unter anderem der EAD-Bericht zu Desinformationen in der Coronakrise und die Reaktionen auf Vorwürfe wegen angeblicher Abschwächung des Berichts aufgrund chinesischer Einflussnahme.
Die Hessische Europaministerin Lucia Puttrich wies in ihrer Begrüßung auf Personen und Staaten hin, die sich in diesem Spektrum betätigen, beispielsweise Russland mit bewusst falschen Behauptungen oder China mit lobenden Darstellungen bei der dortigen Bekämpfung des Ausbruchs der Pandemie.
Lutz Güllner machte eingangs deutlich, dass sich in Zeiten von Corona das Volumen der Falsch- und Desinformationsmeldungen insgesamt erhöht habe. Dabei sei zwischen drei Kategorien von Falschinformation zu unterscheiden. Diese reichten von „aufgeregten öffentlichen Diskussionen“ in den sozialen Medien, die auch Falschinformationen enthalten können, über falsche Informationen mit schwerwiegenden Folgen, beispielsweise für die Gesundheit, die oftmals Teil von Verschwörungstheorien sind, bis hin zu Desinformationsaktivitäten durch gezielte Manipulationen. Diese Aktivitäten seien koordiniert und könnten auch von staatlichen Akteuren stammen.
Der Charakter der Manipulation und Koordination sei für den EAD das entscheidende Abgrenzungsmerkmal. Insoweit würden sich beispielsweise Falschmeldungen aus den USA von Desinformationskampagnen aus Russland oder China unterscheiden.
Daher konzentriere man sich vor allem auf die Desinformationsaktivitäten, die in der Regel ein Narrativ aufweisen, weil es immer in die gleiche Richtung weise, sagte Güllner. Ein aktuelles Beispiel hierfür sei, dass Demokratien und westliche Lebensweisen grundsätzlich nicht so gut mit Pandemien umgehen könnten, wie das etwa in anderen Systemen möglich sei. Dabei würde häufig diese Auffassung als vermeintlicher Mainstream der Meinungsäußerungen abgebildet. Eingesetzt würden verschiedene Hilfsmittel, die von banalen Lügen bis zu technischen künstlichen Meinungsäußerungen in großer Zahl, den so genannten „Bots“ (automatisierte Konten), reichen.
Auf eine Zuschauerfrage nach der Herkunft der Desinformationsquellen nannte Güllner nicht nur Russland, allerdings habe hier die erste Ausrichtung ihren Ursprung. Ein wichtiger Akteur sei der staatlich finanzierte Sender „Russia Today“. Nach wie vor sei hier ein großer Teil der aufgedeckten Manipulationen zu verorten. Güllner wies in diesem Zusammenhang auf die Entstehungsgeschichte seiner Abteilung hin und hob hervor, dass man allein aus der Ansiedelung dieses Dienstes bei dem EAD schließen könne, dass es wesentlich um Manipulationen außerhalb der EU gehe. Die USA kämen eher nicht in Betracht, weil man – zumindest bisher – noch keine staatlich koordinierten entsprechenden Aktivitäten wahrnehmen könne. Zuletzt seien vermehrte Aktivitäten des Islamischen Staates im Internet zu beobachten gewesen.
Die Zuschauer interessierte auch, wie die Erfahrungen bei Wahlen mit Desinformationen seien. Diese Gefahr sei, so Güllner, bereits nachweisbar für die US-Präsidentschaftswahlen 2016. Aber auch bei den französischen Präsidentschaftswahlen seien plötzlich Statements von Macron im Netz gewesen, die nicht von ihm stammten. Er führte weiter aus, dass die Europäische Kommission und der EAD eng mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiteten, um vor Wahlmanipulationen zu schützen. Wahlen seien der Stresstest für die Demokratie.
Im Fokus des Gesprächs stand auch der im April 2020 veröffentlichte Bericht der EAST StratCom Task Force des EAD über aktuelle Desinformationskampagnen zu Covid-19. Dabei ging es unter anderem um den Vorwurf, dass der EAD den veröffentlichten Bericht auf chinesischen Druck hin abgeschwächt habe, obwohl zuvor eine schärfere Version des Berichts existierte. Güllner wies darauf hin, dass der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, vor dem Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments den Vorwurf zurückgewiesen habe. Güllner bekräftigte, es habe keine Änderungen an dem Bericht aufgrund des Drucks Chinas gegeben. Richtig sei, dass es zwei Versionen gebe, eine interne und eine für die Veröffentlichung bestimmte. Interne Informationen von Partnern, mit denen man zusammenarbeite, müssten einerseits intern bleiben und andererseits müssten öffentliche Berichte hieb- und stichfeste Beweise enthalten, die sich auf öffentlich zugängliche Quellen zurückverfolgen ließen.
Lutz Güllner deutete abschließend an, dass mit dem auf Freiwilligkeit basierenden Ansatz zur Bekämpfung von Falschmeldungen auf Onlineplattformen beachtliche Erfolge erzielt wurden. Das Herzstück aller Überlegungen müsse immer sein, die Verpflichtungen aller Akteure und besonders der Plattformen zu hinterfragen. Außerdem stelle sich die Frage, ob nationale oder europäische Gesetzgeber tätig werden müssten. Welche regulatorischen oder nichtregulatorischen Maßnahmen ergriffen werden sollen, diskutiere man derzeit in Brüssel.
Ein Video zur Diskussion kann hier abgerufen werden: