„Forschung heißt Zukunft“, sagte die Hessische Europaministerin Lucia Puttrich in ihrem Eingangsstatement. Forschung sei grenzenlos und zukunftsträchtig, eröffne Perspektiven und gehe mit Innovation einher. Die Forschungspolitik müsse daher vehement vorangetrieben werden. Der Forschungsrat habe in seiner Sitzung am 27. November 2020 mit allen Mitgliedstaaten über Möglichkeiten der Verbesserungen des Europäischen Forschungsraums beraten. Die für Wissenschaft und Kunst in Hessen zuständige Ministerin Angela Dorn verwies in ihrem Impulsstatement auf die stark europaorientierte hessische Wissenschaft. Dazu gehörten nicht zuletzt die Bereiche Gesundheits- und Pandemieforschung, Digitalisierung und die Klimaforschung. Der „Europäische Grüne Deal“ sei dabei eine wichtige Leitinitiative. Dass 35 Prozent der Forschungs- und Innovations-Ausgaben des Programms „Horizont Europa“ in die Klimaforschung fließen sollen, sei sehr zu begrüßen, so die Ministerin. Besonders zu den Prioritäten der EU weise die Hessische Wissenschaft bedeutende Stärken auf. Hessen strebe mit voller Kraft nach europaweiter Vernetzung von Forschungsprojekten. Das Ministerium für Wissenschaft habe vor kurzem das neue Förderprogramm „Hessen Horizon“ aufgelegt. Damit bekäme die hessische Wissenschaft ein wirksames Instrument an die Hand, um vielversprechende Horizon-Anträge vorzubereiten – und diesen stärker zum Erfolg zu verhelfen. Sie betonte auch, dass es richtig und wichtig sei, auf EU-Ebene Mobilitätschancen für Forschende zu erhöhen.
Im Gespräch mit Europa-Korrespondentin Marina Strauß von der Deutschen Welle wies Generaldirektor Jean-Eric Paquet auf zusätzliche Mittel im Programm „Horizont Europa“ hin. Allerdings könne es durch die derzeitige Blockadehaltung von Polen und Ungarn zum Mehrjährigen Finanzrahmen zu einer Verzögerung des Programmbeginns kommen. Besonders betonte er in der ersten Säule den Europäischen Forschungsrat (ERC) und die Marie-Curie-Mobilitätsmaßnahmen (MSCA). Er hob auch hervor, dass die europäische Kommission weiterhin massiv in den ERC investieren werde. Der ERC sei zudem ein „Flaggschiff“, wo jedes Jahr die besten Forscher ausgezeichnet würden. Im Innovationsbereich werde auf den bestehenden Maßnahmen aufgebaut und der Bildungsaspekt werde mit aufgegriffen. Die Einrichtung des bislang als Pilotprojekt existierenden EIC (Europäischen Innovationsrats) sei ein Novum. Der EIC könne als „Nobel Prize Factory“ und der ERC analog hierzu als „Unicorn Factory“ angesehen werden, ergänzte Paquet.
Die Ziele des Europäischen Forschungsraums ließen sich dann am besten erreichen, wenn die Mitgliedstaaten auch ihren Beitrag leisteten. Dass das Europäische Parlament ein deutlich höheres „Horizont-Budget“ gefordert habe, sei allen bewusst (rund 120 Mrd. €). Nun liege ein Kompromiss auf dem Tisch. Die Herausforderung liege aktuell nun darin, dass „Horizont Europa“ mit anderen Komponenten wie der Resilienz-Fazilität verknüpft werden müsse. Auch der Klimaschutz sei eine Top-Priorität mit 35 Prozent im neuen Forschungsraum. Es handele sich um diverse Projekte, etwa in den Bereichen Energie, Kreislaufwirtschaft, Blue Energy. Aber auch die Bereiche dekarbonisierte Luftfahrt und Wasserstoff seien bedeutend. Der Klimaschutz sei nicht etwa Selbstzweck, sondern Pfeiler der Wachstumsstrategie in Europa. Um das Ziel einer Quote der Klimaforschung in Höhe von 35 Prozent der Gesamtausgaben zu erreichen, werde eine relevante Messung betrieben. Die Kommission habe hierzu Indikatoren entwickelt. Aktuell sei man im laufenden Programm Horizont 2020 bei etwa 30 Prozent. Ein besseres „Monitoring“-Instrument sei daher noch vonnöten. Für die kommenden Ausschreibungen sei es daher umso wichtiger, dass die Aspekte „Auswirkungen“ („Impact“) in den Forschungs-Ausschreibungen einbezogen werden.
„Wo liegen die konkreten Vorteile des Forschungsraums für die einzelnen Forschenden?“, fragte Moderatorin Marina Strauß. Es sollten sich Gelegenheiten für Forscherkarrieren ergeben und auch Mobilitätschancen über die Programme Marie Curie und ERC hinaus. Bessere Mobilitätschancen, insbesondere bei den Europäischen Hochschulallianzen, von denen auch Hessen profitiert, erklärte Jean-Eric Paquet. Das Ziel seien homogenere Karrierechancen. Gefragt wurde auch ob Forschende künftig von der Übertragung von Sozialleistungen profitieren könnten. Im Bereich der horizontalen Kompetenzen im Sozialbereich wolle die Kommission ihre Kompetenzen künftig besser nutzen, so Paquet. Die Kommission sei mit den Hochschulen zu derartigen Fragen im Austausch. Um den „grünen Wandel“ mit der Digitalisierung zu verbinden, solle mit der Industrie kooperiert werden, um Industrielle Roadmaps (Fahrpläne) in bestimmten Themengebieten zu erarbeiten und Forschungsprogramme in Partnerschaften gemeinschaftlich zu verfolgen. Denn der grüne Wandel („green transition“) und die Digitalisierung verlangten massive Investitionen. Die Kommission wolle nun dazu beitragen, die Anliegen des Forschungsrates umzusetzen. Sie werde auch einen Pakt für Forschung und Innovation erarbeiten, den die Mitgliedstaaten unterstützen sollen.
Ein wesentlicher Pfeiler im neuen Forschungsraum sei der Grundsatz der Wissenschaftsfreiheit, erklärte Paquet. Das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofes gegen Ungarn wegen der unrechtmäßigen Schließung der Central European University sei eine wichtige Entwicklung. Hier habe der EuGH die Position der Kommission im einschlägigen Vertragsverletzungsverfahren gestützt. Nun gehe es darum, dass Ungarn das Urteil umsetze. Dazu sei die Kommission mit Ungarn im Gespräch. Positiv sah Paquet, dass die meisten Mitgliedstaaten die „Bonner Erklärung“ zur Wissenschaftsfreiheit, initiiert von der deutschen Ratspräsidentschaft, unterzeichnet haben.
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