Hessens Livestream in der Reihe „Europa im Gespräch“: Die Folgen von Corona - Bankenkrise?

Prof. Dr. Joachim Wuermeling, Mitglied des Vorstandes der Deutschen Bundesbank, diskutierte am 13. Oktober 2020 mit dem Stellv. Chefredakteur der Börsen-Zeitung Dr. Detlef Fechtner, in der Hessischen Landesvertretung, ob Europa aufgrund der pandemiebedingten wirtschaftlichen Verwerfungen vor einer neuen Bankenkrise stehe.

Lesedauer:2 Minuten

In seinem einführenden Impuls ging Joachim Wuermeling einer dreifachen Fragestellung nach: Wie übertrage sich eine Wirtschaftskrise in die Bankbilanzen, welche kurzfristigen Kreditrisiken seien durch die aktuelle Corona-Krise entstanden und wie werde sich das Bankensystem mittel- und langfristig durch die Pandemie verändern?

Die Hessische Europaministerin, Lucia Puttrich, betonte in ihrer Begrüßung, wie vielfältig die Herausforderungen durch die Corona-Krise sowohl für die Real- als auch die Finanzwirtschaft seien. Sie zeigte sich jedoch auch vorsichtig optimistisch, dass eine neue Bankenkrise verhindert werden könne, da gerade der Bankensektor im Zuge der Finanzkrise 2008 Widerstandskräfte aufgebaut habe. Auch Wuermeling hob zunächst in seinem Impulsvortrag hervor, dass die Corona-Krise ein unvergleichbares Ereignis sei. Die Prognose hinsichtlich eines möglichen „after-shocks“ könne daher nur vage bleiben. Man dürfe jedoch trotz sich erholender Wirtschaftsdaten nicht vorzeitig Entwarnung geben. Wirtschaftliche Krisen würden sich stets erst zeitversetzt in den Bankbilanzen zeigen, sagte Wuermeling weiter. Er schloss nicht aus – auch wenn er feststellte, dass die Realwirtschaft das Schlimmste hinter sich haben dürfte – dass es Anfang des ersten Quartals 2021 zu einer Konkurswelle kommen könnte, durch die auch die Banken aufgrund von Kreditausfällen in Mitleidenschaft gezogen werden könnten.

Hinsichtlich der pandemiebedingten Kreditrisiken stellte Joachim Wuermeling die besondere Relevanz für die europäische Bankenlandschaft heraus, da viele Geldinstitute in Europa die Kreditvergabe nach wie vor zu ihrem Kerngeschäft zählen würden. Der Moment der Wahrheit werde eintreten, wenn die im Zuge der Krise getroffenen Maßnahmen, wie staatliche Hilfen, Moratorien oder Aussetzung von Insolvenzantragspflichten auslaufen würden und sprach sich für einen Exit-Plan in Bezug auf diese Kriseninstrumente aus. Wichtig sei es, die nötige Balance zwischen Abfederungsmaßnahmen in der Pandemiebewältigung und dem Schnitt, der eine nachhaltige Gesundung ermögliche, zu finden. In diesem Zusammenhang warnte er insbesondere vor einer zu langen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, da dies die Gefahr eines Insolvenzstaus heraufbeschwören würde. Gleichermaßen sei die Problematik der notleidenden Kredite noch nicht gebannt. Eine besondere Verwundbarkeit während der andauernden Corona-Krise sieht Wuermeling bei den Sparkassen- und Genossenschaftsbanken, da diese kein Kapital an den Finanzmärkten aufnehmen könnten und deshalb nur eingeschränkte Refinanzierungsmöglichkeiten hätten. Spielraum für Innovation sei hier so gut wie nicht vorhanden.

Kurzfristig sieht Wuermeling die europäischen Geldinstitute in einem Trilemma aus Kapitalverzehr, Kreditvergabe und Einhaltung von Kreditvergabestandards. Um sich aus diesem Trilemma zu befreien, sei mittel- und langfristig strategisches Handeln gefragt, durch das die Profitabilität von Banken nachhaltig gestärkt werde. Gerade im Hinblick auf die digitale Transformation und Entwicklungen hin zu mehr Nachhaltigkeit böte sich die Chance für einen grundlegenden Strukturwandel. In diesem Zusammenhang sei es die Aufgabe der Bankenaufsicht diesen Wandel zu ermöglichen. Gleichzeitig müsse jedoch auch die Bereitschaft bei den Banken vorhanden sein, unliebsame geschäftspolitische Entscheidungen, wie Filialschließungen, Erhebung von Gebühren oder Negativzinsen zu treffen. Zu Hilfe kämen der europäischen Bankenlandschaft die während der Finanzkrise getroffenen Regulierungsmaßnahmen, die effektiv seien. Deshalb wäre es aus seiner Sicht nunmehr auch der falsche Weg, zukünftige Regulierungen, wie die Umsetzung von Basel-III, coronabedingt aufzuweichen.

Während der Diskussion bekräftigte Joachim Wuermeling seine Thesen und untermauerte die Wichtigkeit der Herstellung langfristiger Profitabilität. Darauf bestehe die Bankenaufsicht bei allen Banken.

Abschließend sprach sich Wuermeling nachdrücklich für die Schaffung eines Finanzbinnenmarktes durch Vollendung der Banken- und Kapitalmarktunion aus. Namentlich der Brexit mache einen solchen dringend erforderlich.

Das Video zur Veranstaltung kann über diese Links abgerufen werden:

DeutschÖffnet sich in einem neuen Fenster

Englisch Öffnet sich in einem neuen Fenster

Schlagworte zum Thema