Hessens Livestream in der Reihe „Europa im Gespräch“: Digitalisierung als epochale Herausforderung

Prof. Dr. Hein, Mitglied der Steuerungsgruppe des Rats für Digitalethik der Hessischen Landesregierung und ehemaliger Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, sprach über die Herausforderungen, um den digitalen Wandel zu meistern und dabei nicht nur die technischen, sondern auch die gesellschaftlichen Interessen und Fragestellungen zu berücksichtigen.

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Die Hessische Europaministerin, Lucia Puttrich, sagte in ihrer Begrüßung, dass die Digitalisierung durch die Corona-Krise an Bedeutung gewinne. Die Digitalisierung sei aber nicht nur eine technische Entwicklung, sondern berühre auch wichtige ethische Fragen. Hessen wolle das Thema umfassend angehen und habe daher einen Rat für Digitalethik gegründet. Die Hessische Digitalministerin, Prof. Dr. Kristina Sinemus, hielt in ihrem Impuls fest, dass es sich bei der Digitalisierung um einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel handele, der die Lebenswirklichkeit der europäischen Bürger in Zukunft weiter stark beeinflussen werde. Bei allen Überlegungen zur Gestaltung der digitalen Welt müsse klar sein, dass die Digitalisierung dem Menschen dienen müsse und nicht umgekehrt. Daher habe man die 22 Mitglieder des Rates für Digitalethik so ausgewählt, dass sie die gesamte Breite der Gesellschaft widerspiegeln. Intensiv habe sich der Rat schon mit dem Thema „Arbeitswelt der Zukunft“ beschäftigt und seine Beratungsergebnisse in einem Impulspapier zusammengefasst.

Martin Hein konzentrierte sich zunächst auf die Frage der Teilhabegerechtigkeit. Es sei eine ethische Frage, wenn der Zugang zu den Chancen der Digitalisierung ungleich verteilt sei, sagte Hein. Probleme bestünden beispielsweise bei Menschen mit Migrationshintergrund, älteren Menschen, aber auch bei der Geschlechtergerechtigkeit, da in der Regel Männer stärker von der Digitalisierung als Frauen profitieren. Er machte auch deutlich, dass es Digitalisierung nicht zum Nulltarif gebe, was in erster Linie eine Herausforderung der Politik sei.

Die Coronakrise habe auf der einen Seite gezeigt, dass das Homeoffice viele Vorteile mit sich bringe. Es schaffe Freiräume und mehr Möglichkeiten für die Verbindung von Berufs- und Privatleben. Anderseits seien die Erwartungen an die Erreichbarkeit, rund um die Uhr „präsent“, gestiegen. Nicht zu unterschätzen sei, dass das Homeoffice eine zunehmende Gefahr der Vereinzelung mit sich bringe, stellte Hein fest. Aber auch Fragen, wie Arbeitsschutz und –sicherheit, stellten sich im Homeoffice.

Aus seiner Sicht dürfe Homeoffice nicht zu einer prinzipiellen Verpflichtung werden. Die soziale Distanz sei auch im Sinne der christlichen Nächstenliebe problematisch, was sich bei den Kontaktbeschränkungen, unter anderem in Krankenhäusern und in der Altenpflege, zeige. Gute Seelsorge setze immer auch physische Begegnung voraus.

Gerade beim Thema Künstliche Intelligenz müsse die Entscheidungsfähigkeit des Menschen als hohes Gut bewahrt werden. Die Grenze der Künstlichen Intelligenz liege dort, wo sie beginne, die Freiheit des Menschen zu beschränken.

Die größte konkrete Herausforderung der Digitalisierung der nächsten fünf Jahre sieht Hein jedoch in der Herstellung von Bildungsgerechtigkeit. Auf Nachfrage aus dem Zuschauerkreis hielt Martin Hein fest, dass der Rat für Digitalethik keine politischen Vorgaben erhalte. Die Themen identifiziere er entsprechend der Heterogenität der Mitglieder. Es handele sich also um eine Art Diskursethik. Kirchenvertreter hätten dabei keinen automatischen Vorrang.

Das Gespräch wurde von Franziska Broich, der EU-Korrespondentin der Katholischen Nachrichten-Agentur Brüssel, moderiert.

Das Video zur Veranstaltung kann über diese Links abgerufen werden:

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