In seinem Grußwort hob der Hessische Europastaatssekretär Mark Weinmeister hervor, dass man sich künftig in einem Spannungsfeld von Konkurrenz und Kooperation befände. So könne das Vereinigte Königreich (VK) etwa versuchen, sich durch gezielte Deregulierung einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Andererseits bestünde eine gewisse Abhängigkeit, da 40 Prozent der im VK angebotenen Finanzdienstleistungsprodukte durch Kunden in der EU abgerufen würden. Fest stehe, dass das VK durch den Wegfall des EU-Finanzpasses zum Drittland werde. Hiervon könne der Finanzplatz Frankfurt profitieren, betonte Weinmeister.
Kurzfristige Entwicklung und langfristige Veränderungen
Almoro Rubin de Cervin, Direktor für internationale Angelegenheiten der Generaldirektion für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion (FISMA), richtete in seinem Impuls den Blick sowohl auf die kurzfristige Entwicklung bis zum Ende der Übergangsphase als auch auf die langfristige Zukunft. Er hob hervor, dass es mit dem 1. Januar 2021 und dem Auslaufen des EU-Finanzpasses für das VK erhebliche Veränderungen im Bereich der Finanzdienstleistungen geben werde. Allerdings habe sich der Finanzsektor in der EU und dem Vereinigen Königreich auf diese neue Situation vorbereitet. Bezüglich der Ausgestaltung der langfristigen Partnerschaft plädierte Rubin de Cervin für ein informelles Rahmenwerk für Kooperationen, bei dem Äquivalenzentscheidungen das mittelfristige Instrument seien.
Binnenmarktgesetz
Durch das umstrittene britische Binnenmarktgesetz sei zwischenzeitlich ein Vertrauensbruch eingetreten, der die Verhandlungen zwischen der EU und dem VK belastet habe. Vertrauen sei indes die Grundvoraussetzung für die Anerkennung von Äquivalenz. Doch nach Klärung dieses Konflikts setzt Rubin de Cervin darauf, dass es ab Januar zwischen der EU und dem VK zu einem sauberen Schnitt komme, der Äquivalenzentscheidungen möglich mache. Er hob auch hervor, dass die EU das Jahr 2021 als Ausgangspunkt für eine langfristige Beziehung zum VK sehe. Sie setze auf die Entwicklung einer konstruktiven positiven Agenda für den Finanzdienstleistungsbereich.
Frage der Finanzdienstleistungen
Zentrales Thema, unter Moderation des stellv. Chefredakteurs der Börsen-Zeitung, Dr. Detlef Fechtner, war die mittel- und langfristige Ausgestaltung des Verhältnisses im Bereich der Finanzdienstleistungen unter besonderer Berücksichtigung von Äquivalenzentscheidungen. Es diskutierten neben Rubin de Cervin, Andreas Krautscheid, und der Europaabgeordnete Markus Ferber.
Banken gut vorbereitet
In der Diskussion verwies Krautscheid darauf, dass die Banken insgesamt sehr gut auf die möglichen Szenarien vorbereitet seien. Von substanzieller Bedeutung sei für die künftige Ausgestaltung der Beziehungen das Instrument der Äquivalenz, das – unabhängig von der Frage, ob es einen Deal gebe – die einzige Brücke zwischen den beiden Märkten darstelle. Markus Ferber betonte, dass es aus Sicht des Europäischen Parlaments wichtig sei, dass das künftige Verhältnis auf einem „level-playing-field“ basiere. Er erwarte jedoch keine größeren Disruptionen für den Finanzdienstleistungsbereich nach dem endgültigen Ausscheiden der Briten aus dem EU-Binnenmarkt.
Beitrag zur Stabilität
Abschließend wiesen Rubin de Cervin und Ferber darauf hin, dass die Vollendung der Kapitalmarktunion und die Investition von Banken in gemeinsame Marktinfrastrukturen der europäischen Märkte einen Beitrag zur Stabilität und zur globalen Wettbewerbsfähigkeit darstellen würden. Krautscheid bekräftigte, dass die Finanzindustrie auch nach Ende der Übergangsphase gut dastehen werde. Das VK werde nie nur irgendein Drittland sein. Vielmehr seien die Briten gleichermaßen an einem guten Verhältnis interessiert.