2020 sei ein wichtiges Jahr in der Geschichte Litauens, sagte die Hessische Europaministerin in ihrer Begrüßungsansprache. Denn am 11. März konnte Litauen 30 Jahre seiner Unabhängigkeit und Demokratie feiern. Für Litauen sei diese Unabhängigkeitserklärung von 1990 ein Schritt auf dem Weg zu einer europäischen Integration und einer sicherheitspolitischen Anbindung an die eur-atlantische Partnerschaft in der NATO. Litauen sei zudem ein spannender Partner, betonte die Ministerin, Litauen liege in einem außenpolitisch exponierten Gebiet der EU.
Im Anschluss stellte Evaldas Labanauskas, der unter anderem für den baltischen Nachrichtensender Delfi arbeitet, das Wahlergebnis vor. Die Parlamentswahl fand in zwei Wahlgängen, am 11. und 25. Oktober statt. Gewählt wird nach einem gemischten Mehrheits- und Verhältniswahlrecht: 71 der 141 Sitze werden als Direktmandate in Wahlkreisen vergeben und die übrigen 70 Sitze entsprechend der landesweiten Stimmenanteile der Parteien. Die konservative Partei der „Heimatunion-Litauische Christdemokraten“ hat die Wahl gewonnen, sagte Labanauskas. Die Wahlbeteiligung - im 1. Wahlgang 47,8% / im 2. Wahlgang 38,95% - sei niedrig gewesen. Er wies auch darauf hin, dass das Parlament insgesamt im Vergleich zu der Wahl im Jahr 2016 etwas jünger geworden sei, was er der neu gegründeten „Freiheitspartei“ zuschrieb. Gleichzeitig habe sich der Frauenanteil erhöht. Extremrechte Parteien hätten im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten trotz der Krise keine Rolle gespielt. Diese würden zwar existieren, seien aber zersplittert und daher bedeutungslos. Eindeutiger Gewinner sei die Konservative Partei mit der parteilose Ingrida Šimonytė als Spitzenkandidatin, so Labansukas. Sie strebe eine Regierungskoalition mit den beiden liberalen Parteien an. Die „Freiheitspartei“ mit ihrer Vorsitzenden Aušrinė Armonaitė sei die größte Überraschung, erst vor einem Jahr gegründet, liberal und sehr jung. Gleichzeitig hob er hervor, dass es bei jeder Parlamentswahl eine neue Bewegung gäbe, wie beispielsweise die Bauernpartei im Jahr 2016, die einen erdrutschartigen Sieg errungen hatte. Die liberale Bewegung zähle mit ihrer neuen Vorsitzenden Viktorija Čmilytė-Nielsen zu den Gewinnern. Auch die populistische „Arbeitspartei“ mit dem Europaabgeordneten Viktor Uspaskich sei trotz Korruptionsvorwürfen wieder über die Fünf-Prozent-Hürde gekommen. Größter Verlierer hingegen seien die „litauischen Sozialdemokraten“ mit ihrem Vorsitzenden Paluska. Überraschend habe auch die „Allianz der christlichen Polen in Litauen“ verloren, die seiner Erinnerung nach zum ersten Mal nicht über die 5% Hürde kam. Aus seiner Sicht liege die Niederlage der amtierenden „Bauern und Grüne Partei“ daran, dass die Stadtbevölkerung und überwiegend junge Menschen enttäuscht von ihrer Politik waren und deshalb nicht mehr für sie gestimmt haben.
In dem anschließenden Gespräch mit der Moderatorin Gudrun Engel standen unter anderem Fragen zu Veränderungen im Hinblick auf die Beziehungen zur EU und zu den internationalen Beziehungen, zu Belarus sowie zur Rechtsstaatlichkeit im Fokus. Auf die Frage, ob in den Beziehungen zur EU und in den internationalen Beziehungen Veränderungen zu erwarten seien, antwortete Labanauskas: Es bleibe abzuwarten, wer zum Beispiel Außenminister werde. Bislang gäbe es keine klare Kompetenzabgrenzung in diesen Fragen zwischen dem Staatspräsidenten, dem Ministerpräsidenten und dem Außenminister. Ein weiteres Thema war das Verhältnis zu Belarus. Die Wahl habe das Verhältnis zu Belarus nicht verändert, erklärte Labanauskas. Die unmittelbare Nachbarschaft zu Belarus, historische Verbindungen und natürlich das undemokratische Handeln der Regierung in Belarus würden das Verhältnis prägen. Für Litauen sei Belarus auch unter dem sicherheitspolitischen Aspekt wichtig, vor allem im Hinblick auf eine mögliche militärische Intervention durch Russland. In der Diskussion zum Thema Rechtsstaatlichkeit in der EU führte der Journalist aus, dass es sich hier um einen politischen Balanceakt für Litauen handele. „Auf der einen Seite der Kampf in der Europäischen Union für die Rechtsstaatlichkeit und entsprechende Maßnahmen, auch in Bezug auf Polen, und andererseits kooperiere man in den energiepolitischen Themen oft mit Polen.“ Labanauskas könne sich vorstellen, dass Rechtsstaatlichkeit ein wichtiges Anliegen der neuen Regierungskoalition bleiben wird.