Die Hessische Europaministerin Lucia Puttrich machte in ihrer Begrüßung darauf aufmerksam, dass die Planungen der deutschen Ratspräsidentschaft anders als sonst verlaufen. Mit Sicherheit stünden Themen im Mittelpunkt, die wesentlich von den Corona Auswirkungen geprägt würden, wie die Einigung über den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) und das EU-Wiederaufbauprogramm. Daneben gäbe es aber auch die Themen: Das Abkommen der EU mit dem Vereinigten Königreich nach dem Brexit sowie das Verhältnis zu China, sagte Lucia Puttrich.
Auch Botschafter Michael Clauß wies darauf hin, dass die deutsche Ratspräsidentschaft nicht mehr in der geplanten Art und Weise stattfinden könne. Notwendige Änderungen beträfen die inhaltliche Vorbereitung, die Schwerpunktsetzung, die Arbeitsweise und auch die Planung und praktische Umsetzung der Sitzungen. Ganz oben auf der Agenda stünden das Krisenmanagement, die Exit-Strategie und der Wiederaufbau nach der Coronakrise.
Auf eine Zuschauerfrage hin, wie nun mit anderen wichtigen Themen, beispielsweise dem Green Deal, aber auch der Digitalisierung, umgegangen werde, erklärte Clauß, dass diese Themen beim Wiederaufbau nach der Coronakrise mit Sicherheit eine Rolle spielen werden.
Aufgrund der notwendigen Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie könnten nur etwa 30 Prozent der vorgesehenen Ratskapazitäten genutzt werden. Physische Treffen seien stark reduziert, so dass voraussichtlich weitestgehend auf Videokonferenzen ausgewichen werden müssen, erklärte der Botschafter. Er gab zu bedenken, dass diese zum einen in geringerem Maße effektiv, da sie nicht interaktiv seien, und zum anderen stelle vor allem die Vertraulichkeit ein großes Problem dar. Aber auch technische „Pannen“ und vor allem fehlende „Deals“ durch Gespräche am Rande der sonst üblichen Sitzungen würden die Entscheidungsfindung erschweren.
Wann physische Treffen der Staats- und Regierungschefs und Fachminister in Brüssel stattfinden, sei aus Sicht des Botschafters nicht absehbar. Entscheidungen hingen auch stark vom Lockdown in den Mitgliedstaaten ab, gab Clauß zu bedenken. Er hegte Zweifel, ob ohne physische Treffen bereits eine Entscheidung über den MFR und die Dimension des Wiederaufbaufonds in einem ersten Anlauf getroffen werden könne.
Zur Frage des EU-Korrespondenten Hendrik Kafsack, FAZ, hinsichtlich einer Kompromisslinie beim MFR zeigte sich Clauß zurückhaltend. Diskutiert werde, dass die Kommission Kredite sowie finanzielle Zuwendungen an notleidende Staaten geben könne. Hierzu gebe es verschiedene Modelle.
Mit Blick auf die Einschätzung zu den Verhandlungen des Brexit betonte der Botschafter: Sollten die Briten die Verlängerung der Verhandlungsphase beantragen, würde die EU nicht nein sagen. Im Hinblick auf den Ratifizierungsprozess benötige man aber beim Gipfel im Oktober ein Ergebnis. Dies halte er dann für möglich, wenn die Briten Realitätssinn und die nötige Flexibilität im Sommer oder Frühherbst zeigten, um zu einem Deal zu kommen.
Ein weiteres wichtiges Thema des deutschen Ratsvorsitzes seien die zukünftigen EU-China Beziehungen. Bisher sei aus seiner Sicht noch nicht klar, ob der Chinagipfel, wie vereinbart, im September in Leipzig stattfinden werde oder in virtueller Form. Ein Thema sei der Investitionsvertrag zwischen der EU und China mit der Erwartung, dass sich dann auch der Marktzugang für europäische Unternehmen in China verbessere. Auch Umwelt und die Zusammenarbeit in Afrika könnten diskutiert werden. Er wäre auch nicht überrascht, wenn das Thema Gesundheit eine Rolle spielen werde.
Weitere der zahlreichen Zuschauerfragen behandelten unter anderem das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den EZB Anleihekäufen, die Debatte um eine politische Union und die Konferenz zur Zukunft der EU.
Die Videos zur Veranstaltung können über diese Links abgerufen werden:
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