In ihrer Ansprache wies die Hessische Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten, Lucia Puttrich, die gemeinsam mit dem Bundesverband deutscher Banken zu der Livestream Veranstaltung eingeladen hatte, auf die inhaltlich veränderten Schwerpunkte der deutschen Ratspräsidentschaft aufgrund der Coronakrise hin. Sie betonte, wie wichtig eine Planungssicherheit für den Wiederaufbau und den langfristigen Plan, gestärkt aus der Krise hervorzugehen, sei. Wir brauchen eine nachhaltige Finanzarchitektur. Dazu gehöre auch eine verantwortungsvolle und verlässliche Finanzpolitik zur Sicherung der Zukunft, sagte die Ministerin. Ferner kam sie auf weitere in diesem Zeitraum anstehenden Themen, wie den Brexit, zu sprechen. Sie hoffe sehr, dass es ein Abkommen geben werde.
Ganz oben auf der Agenda der deutschen Ratspräsidentschaft stehen der Abschluss des Mehrjährigen Finanzrahmens 2021-2027 und der Wiederaufbaufonds, erklärte Jörg Kukies. Die Verabschiedung solle möglichst schnell geschehen, um bald legislativ tätig werden zu können, damit die Gelder tatsächlich ab dem 1. Januar 2021 fließen können. Aus seiner Sicht werde es bei den Verhandlungen zu kontroversen Diskussionen kommen, bei denen auch die speziellen Elemente der Zuteilung im Mittelpunkt stehen werden. Als weitere wichtige Schwerpunkte nannte der Staatssekretär die Vertiefung der Kapitalmarktunion, der Digitalisierung und der Bankenunion. Ziel sei es, zu spezifischen Fortschritten zu gelangen. Des Weiteren sollen die Themen der Vertiefung der Fiskalunion und die vertiefte Zusammenarbeit der Union besprochen werden. Im Rahmen der Digitalisierung stelle sich vor allem nach dem Wirecard-Skandal die Frage, wie Zahlungsanbieter besser beaufsichtigt werden können. Hierfür sei ein einheitlicher Aufsichtsrahmen erforderlich. Auch das Thema der nachhaltigen Finanzen sei ein Schwerpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft. Bereits vorherige Präsidentschaften hätten gute Ergebnisse erzielt und während der jetzigen Präsidentschaft sollen die Umsetzungsregelungen angegangen werden, sagte Kukies weiter.
Auch die Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich waren Thema. Hier müsse man die weiteren Verhandlungen abwarten. Im Hinblick auf ein mögliches Scheitern der Brexit-Verhandlungen wolle die deutsche Ratspräsidentschaft dafür sorgen, dass Europa dafür gerüstet sei. Nach wie vor hoffe man, dass die Verhandlungen in die richtige Richtung gehen.
James von Moltke erwartet insbesondere die Bearbeitung folgender Themen: Bankenunion, Digitalisierung, nachhaltige Finanzen und die Bekämpfung von Geldwäsche. Der Bankenverband sieht in der Ratspräsidentschaft auch die Gelegenheit zur Wiederbelebung von stagnierenden Verhandlungen zu diesen Themen.Im Übrigen betonte Moltke die Umsetzung von Basel III und die Erforderlichkeit, Anstrengungen zu unternehmen, um eine Harmonisierung im Bereich nachhaltige Finanzen voranzubringen. Der Bankensektor habe aufgrund des Eingreifens verschiedener Stellen schnell auf die Coronavirus-Krise reagieren können. Eine Herausforderung sei jedoch, dass die Aktionen zeitlich befristet sind. Auch beim Aufbau nach der Krise bleibe es wichtig, die Finanzierung der Wirtschaft sicherzustellen. Hierzu sollten alle Mittel genutzt werden. Hierzu zähle insbesondere die Verschiebung von Beitragszahlungen für den europäischen Abwicklungsfonds, was die Kreditvergabespielräume der Banken erheblich vergrößern würde – ein Vorschlag, der auch von Staatssekretär Kukies und Generaldirektor Berrigan aufgegriffen wurde.
John Berrigan zeigte sich erfreut, dass sowohl die Prioritäten der Kommission, als auch die Interessen des Bankenverbands bezüglich der Schwerpunktsetzung der Themen mit denen der deutschen Ratspräsidentschaft übereinstimmen. Im Bereich digitale Finanzen wolle die Kommission eine Strategie hinsichtlich der Risiken vorschlagen, führte John Berrigan aus. In Bezug auf Basel III antwortete Berrigan, dass der Inhalt nicht verändert werden soll. Die Kommission möchte ihren Vorschlag Ende dieses Jahres oder Anfang nächsten Jahres vorlegen. Gleichwohl sei es aber nicht auszuschließen, dass aufgrund der derzeit nur schwer abschätzbaren Dynamik der Krise doch noch Änderungen erforderlich werden. Im Hinblick auf wesentliche Punkte bezüglich der Schaffung einer Kapitalmarktunion sei es wohl schwierig, zu einer schnellen Einigung zu kommen. Es gäbe allerdings kleinere Elemente, über die man sich zeitnah einigen könnte, so John Berrigan weiter.
Dr. Detlef Fechtner, Stv. Chefredakteur der Börsen-Zeitung, hat die Diskussion moderiert.
Das Video zur Veranstaltung kann über diese Links abgerufen werden: