„Deutsche Europapolitik in der Krise“

Am 12. Dezember sprachen die Staatsministerin für Europa und Klima im Auswärtigen Amt, Dr. Anna Lührmann, und Ilka Wölfle, Stellvertretende Vorsitzende der EUD Brüssel, darüber, wie die Bundesregierung die Europapolitik voranbringen will.

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Eingeladen hatte die Hessische Europaministerin Lucia Puttrich gemeinsam mit dem Brüsseler Verband der Europa-Union Deutschland (EUD). Europastaatssekretär Uwe Becker hob dabei hervor, dass Deutschland und Europa aktuell vor den größten Herausforderungen seit Ende des kalten Krieges stehen. Deutschland und die Europäische Union (EU) müssten einerseits auf den russischen Krieg gegen die Ukraine reagieren und gleichzeitig wichtige Zukunftsthemen wie den Green Deal und die Digitalisierung weiter vorantreiben. Gleichzeitig müssten sie weiter ihren eigenen Kurs im Großmächtekonflikt zwischen den USA und China bestimmen.

„Deutsche Europapolitik in der Krise“
Europastaatssekretär Uwe Becker zur Veranstaltung mit dem Brüsseler Verband der EUD zum Thema „Deutsche Europapolitik in der Krise“

Ungarn, EU-Erweiterung, Zukunftskonferenz, Europawahlen

Ilka Wölfle, die das Gespräch mit Staatsministerin Anna Lührmann führte, ging zunächst auf das Einfrieren der EU-Gelder für Ungarn ein. Die Staatsministerin stellte in diesem Zusammenhang fest, dass sich Ungarn überreizt hätte. Es werde jedoch eine klare Antwort geben. Die Bundesregierung stehe hinter der Entscheidung der Europäischen Kommission. Ein weiteres Thema war die eingeschränkte Handlungsfähigkeit der EU bedingt durch das Einstimmigkeitsprinzip. Dr. Lührmann führte dazu aus, kurzfristig gebe es mittels Passarelle-Klausel die Möglichkeit zur Überwindung der Einstimmigkeit, etwa in der Außen- und Sicherheitspolitik, in Menschenrechtsfragen oder in der Organisationspolitik. Langfristig müsse generell darüber nachgedacht werden, wie die EU um drei bis neun neue Mitglieder erweitert werde könne.

Zum Thema „Erweiterung“ betonte Dr. Lührmann, dass es kein Konfliktpotenzial hinsichtlich des Kandidaten-Status für die Republik Moldau und die Ukraine mit den Ländern des Westbalkans gäbe. Sie seien solidarisch mit der Ukraine und der Republik Moldau, wünschen jedoch, dass der Prozess zur eigenen EU-Mitgliedschaft an Fahrt aufnimmt. „Wir brauchen daher eine neue Dynamik bei den Erweiterungsprozessen“, so Dr. Lührmann weiter. Sie erwähnte, dass die EU ein großes Paket der Energieversorgung für den Westbalkan geschnürt habe, dass den Bürgerinnen und Bürgern dort unmittelbar zugutekommt und diese die EU-Solidarität spüren.

Im Hinblick auf die Ergebnisse der Konferenz zur Zukunft Europas, wonach mehr europäischer Einsatz in vielen Bereichen, so beispielsweise in der Außen- und Sicherheitspolitik, erforderlich sei, sagte die Staatsministerin, dass die EU sehr geschlossen mit ihren Sanktionen auf die Folgen des Krieges Russlands gegen die Ukraine reagiert. Damit aber die EU zum geostrategischen Akteur werde, müsse man noch enger, vertrauensvoller und stärker zusammenarbeiten. Das Mandat der Konferenz sei aber nach ihrem Verständnis, auch als Demokratieforscherin, viel zu breit gewesen. Solche partizipativen Prozesse funktionierten immer gut, wenn man das Mandat eng und konkret fasse, sodass die Menschen gut vorbereitet diskutieren könnten. Daher sei es zu begrüßen, dass die Europäische Kommission weiter Bürgerforen zu konkreten Themen, wie zum Beispiel der Verschwendung von Nahrungsmitteln, durchführen werde. Mit Blick auf die Europawahl 2024 sagte Dr. Lührmann, dass für die Grünen die grüne Transformationsagenda im Mittelpunkt stehen würde, damit Europa der erste klimaneutrale Kontinent wird. Abschließend merkte Dr. Lührmann an, dass im Zusammenhang mit einer weiteren EU-Erweiterung und internen Reformen der EU-Institutionen Europa neu gedacht werden muss. Dafür sei kein Reformkanon, sondern neue Debatten erforderlich.