Europa im Gespräch: „Reformüberlegungen zum Stabilitäts- und Wachstumspakt“

Michael Hager, Kabinettschef des Exekutiv-Vizepräsidenten der Kommission Valdis Dombrovskis, hat am 10. November die Mitteilung der Europäischen Kommission über ihre Reformüberlegungen zum Stabilitäts- und Wachstumspakt in der Hessischen Landesvertretung vorgestellt.

Michael Hager betonte zu Beginn, dass die Reformpläne in der Europäischen Kommission umstritten gewesen seien. Aus seiner Sicht sei die jetzt herausgegebene Mitteilung ein Erfolg, da es der Kommission gelungen sei, ihre innere Zerstrittenheit zu überwinden und die Realität in den Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. Aufgrund der vielen drängenden Probleme, wie der hohen Inflation, dem Krieg in der Ukraine und der Energiekrise, bleibe nur wenig Zeit, die Regeln zu überarbeiten. Die Kommission wolle zeigen, dass sie dazu in der Lage sei und ihr eine stabile Währung wichtig sei. Hager sprach sich explizit gegen zu flexible Regeln aus, da man in der Vergangenheit schon erfolglos mit Flexibilität gearbeitet habe. Stattdessen müsse auf Pragmatismus gesetzt und realistisch gedacht werden. Die Schulden der Mitgliedstaaten seien in den letzten Jahren stark angestiegen. Dies und die Aussetzung der Paktregeln sollten aber nicht das neue Normal werden, betonte Hager. Daher sage die Kommission in ihrer Mitteilung auch ausdrücklich, dass die Kernregeln des Paktes, namentlich die erlaubten Höchstgrenzen der Verschuldung, nicht angetastet würden.

Europa im Gespräch: „Reformüberlegungen zum Stabilitäts- und Wachstumspakt“
Michael Hager, Kabinettschef des Exekutiv-Vizepräsidenten der Kommission Valdis Dombrovskis, stellt die Mitteilung der Europäischen Kommission über ihre Reformüberlegungen zum Stabilitäts- und Wachstumspakt in der Hessischen Landesvertretung dar

Reformüberlegungen

Es sei aber zu beachten, dass die großen Herausforderungen unserer Zeit auch große Investitionen erforderten. Diese müssten möglich sein und mit Reformen verbunden werden, führte Hager weiter aus. Der Corona-Wiederaufbaufonds habe gezeigt, dass dieses Modell funktionieren könne. Die bisherigen Regeln des Paktes hätten dagegen nicht funktioniert. Zum einen seien sie zu komplex gewesen und zum anderen seien sie zu streng. Nach Hagers Einschätzung sei man bisher zu wenig maßgeschneidert vorgegangen. Während die Mitgliedstaaten, die schon lang hohe Schuldenstände hätten, genau überwacht werden müssten, könne man den niedrig verschuldeten Staaten mehr Bewegungsfreiheit gewähren. Auf den Mitgliedstaat abgestimmte Regeln hätten den Vorteil, dass der einzelne Staat sehr viel mehr Mitsprachemöglichkeiten habe. Dies wolle man paaren mit einer strengeren Durchsetzung der Regeln als bisher, erklärte Hager. Denn wer in den Verhandlungen des Schuldenabbauplans seine Besonderheiten habe einbringen können, dürfe sich über eine strenge Durchsetzung des Vereinbarten nicht beschweren. Die Kommission wolle auch Konsequenzen ziehen, wenn vereinbarte Investitionen nicht getätigt würden.

Im Anschluss vertiefte Hager mit Moritz Koch, dem Leiter des Handelsblatt-Büros in Brüssel, einzelne Punkte. Dabei ging es unter anderem um eine glaubhafte Durchsetzung der Regeln, die Sanktionen bei Verstößen und die Frage einer gemeinsamen Schuldenaufnahme in der Europäischen Union.