Herausfordernde Zeiten für die USA und die EU – Wohin steuert die Wirtschafts- und Geldpolitik?

Die EU müsse zusammenhalten und in der Wirtschaftspolitik koordiniert vorgehen, wenn sie ein Global Player bleiben wolle, betonte Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, am 21. November im Rahmen der Diskussion in der Hessischen Landesvertretung.

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Prof. Hüther, Janet Henry, Global Chief Economist bei HSBC, und Fédéric Holm-Hadulla, Leiter der Sektion Politikbewertung, Geldpolitikstrategie bei der Europäischen Zentralbank (EZB), diskutierten über aktuelle Fragen in Bezug auf Inflation und das Verhältnis des Euros und des US-Dollars zueinander. Eingeladen hatten die Hessische Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten, Lucia Puttrich, der Bundesverband deutscher Banken und das Institut der Deutschen Wirtschaft. Kolja Gabriel, Managing Director, Head of European and International Affairs, Bundesverband deutscher Banken, bemerkte vorab, dass die Zentralbanken nicht immer ausreichend miteinander kommunizierten und ihre Vorgehensweise bei der Inflationsbekämpfung nicht miteinander abstimmten. Dies sei aber für den Erfolg der Bemühungen unerlässlich. Es sei bedauerlich, dass gerade die Fed (Federal Reserve System) keine Rücksicht auf Spillover-Effekte nehme. Optimistisch gab er sich hingegen in Bezug auf die ernüchternden Wachstumsprognosen für das kommende Jahr.

Unterschiede zwischen USA und EU

Prof. Hüther leitete die Diskussion mit der Bemerkung ein, es habe in den letzten zehn Jahren in der Geldpolitik nicht viel zu diskutieren gegeben, da es sich um eine sehr stabile Periode gehandelt habe. Nun müsse die EZB die Inflation bekämpfen. Sie sei daran aber nicht gewöhnt, da sie dieses Problem gar nicht kenne. Er hob die Unterschiede zwischen der Inflation in den USA und der in Europa hervor. Der Krieg in der Ukraine wirke sich längst nicht so stark auf die USA aus wie auf Europa. Prof. Hüther kritisierte, dass die Europäische Union in der Wirtschaftspolitik nicht koordiniert vorgehe. Das führe dazu, dass weder die EZB noch die Kapitalmärkte eine Orientierung hätten. Wichtig sei die weitere europäische Integration, da die Europäische Union zusammenhalten müsse, wenn sie ein Global Player bleiben wolle. Andernfalls beschränke sich der globale Wettbewerb auf China und die USA. Die Europäische Union habe geeint eine sehr viel stärkere Verhandlungsposition als die Mitgliedstaaten einzeln. Fédérich Holm-Hadulla sprach an, dass bei der Inflationsbekämpfung zwei Faktoren beachtet werden müssten: Einerseits die Höhe der Inflationsrate und andererseits die Beständigkeit der Teuerung. Denn hier bestehe das Risiko, dass sich die Inflation verfestige. Aus seiner Sicht brauche es daher weitere Leitzinserhöhungen, um das Problem in den Griff zu bekommen. Um einen durch Unterstützungsprogramme für finanziell schwache Haushalte ausgelösten Nachfrageschub mache er sich keine Sorgen. Die Menschen könnten gerade so ihre Stromrechnung bezahlen, daher sei mit einem inflationstreibenden Nachfrageschub nicht zu rechnen. Zur Wirtschaftslage in den USA erklärte Fédérich Holm-Hadulla, die USA sähen sich momentan mit einer Knappheit an Arbeitskräften konfrontiert, da die Regierung im Gegensatz zu den europäischen Regierungen dem Arbeitsmarkt freien Lauf gelassen habe. Daher seien viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den USA entlassen worden und früh in Rente gegangen anstatt an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren.  

Bewertung der aktuellen Situation

Janet Henry erklärte im Rahmen der Diskussion zunächst, die Fed habe ihre Geldpolitik zu spät angezogen, da sie aufgrund der Pandemie strukturelle Arbeitslosigkeit befürchtet habe. Entgegen dieser Erwartungen habe sich die Nachfrage aber schnell erholt, während die Lieferketten durch Covid nach wie vor beeinträchtig seien. Ihrer Meinung nach sei eine Rezession der einzige Weg, um die Inflationsraten nachhaltig zurück zu den Zielwerten zu bringen. Wenn die Zentralbanken nicht handelten, würden sie ihre Glaubwürdigkeit einbüßen, führte Janet Henry weiter aus. Sie kritisierte auch, dass die Regierungen in Europa nur selten einheitlich an die Krisenbewältigung herangingen. Die koordinierte und einheitliche Reaktion auf die Pandemie sei eine Ausnahme gewesen.

Die Gesprächspartner teilten die Meinung, dass die USA den Höhepunkt der Inflation bereits überschritten habe. Europa habe ihn hingegen wahrscheinlich noch nicht erreicht, aber stehe kurz davor.

Hendrik Kafsack, Frankfurter Allgemeine Zeitung, hat die Diskussion moderiert.

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