Tiefgreifender Wandel der Industrie durch Dekarbonisierung, Digitalisierung und die Stärkung der Resilienz stellen die Politik auf allen Ebenen vor Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund diskutierten Jörg Hoffmann, erster Vorsitzender der IG-Metall, Kerstin Jorna, Generaldirektorin für Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU, Europäische Kommission sowie die Europaabgeordneten Hildegard Bentele und Jens Geier über die erforderlichen Maßnahmen der Politik.
Kerstin Jorna beschrieb die momentane Lage mit einer Metapher des „Hungernden Wanderers, der durch einen Fluss von den Apfelbäumen getrennt wird“. Der hungernde Wanderer beschreibt dabei die mit den Herausforderungen der steigenden Energiepreise und komplexen Lieferketten kämpfende Unternehmen, der Fluss die momentanen Krisen und die Apfelbäume die Langzeitziele, wie Klimaneutralität und Digitalisierung. Angesichts der Klimakrise, der Corona-Pandemie, des Angriffes auf die Ukraine und Lieferkettenschwierigkeiten sieht Hoffmann die große Herausforderung der Politik darin, Aktualitäten zu begegnen, ohne Langzeitziele, wie den Klimaschutz, aus den Augen zu verlieren. Die Politik müsse eine „Brücke über den Fluss bauen“, müsse aber durch Staatsbeihilfen oder Kooperationen in der Lieferkette darauf achten, dass die Unternehmen nicht „verhungern“, bevor diese fertig gestellt werde. In diesem Zusammenhang gingen die Europaabgeordneten Bentele und Geier auf verstärkte Beihilfemöglichkeiten, insbesondere auch auf das europäische Vorhaben „Important Project of Common European Interest“ (IPCEI), ein. Hierbei stellten sie auf die Besonderheit der aktuellen politischen Situation ab und wiesen darauf hin, dass sich das IPCEI-Verfahren auch noch im Anfangsprozess befinde. Die Abgeordnete Bentele machte auch auf den zum Teil bereits gravierenden Fachkräftemangel aufmerksam, der eine Transformation erheblich hemmen kann. Sie forderte die Kommission gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten auf, in Zusammenarbeit mit den Unternehmen und den Gewerkschaften schnellstmöglich zu handeln. Aus Sicht des Europaabgeordneten Geier werde sich Wertschöpfung verändern, auch im globalen Kontext. Zunächst gelte es, die Resilienz der europäischen Industrie zu stärken, aber auch Brücken auf der Beschäftigungsseite zu schaffen.
Man war sich einig, dass die Europäische Union trotz der großen Herausforderung beim Klimawandel differenziert vorgehen müsse. Die jetzigen aktuellen Krisen dürften das Vorhaben des Klimaschutzes aber nicht bremsen. Vielmehr müsse die Europäische Union auch vermehrt global auftreten, um zum einen ihre Unabhängigkeit gegenüber anderen Ländern zu bewahren und zum anderen global für das Ziel des Klimaschutzes zu werben und gleichzeitig wettbewerbsfähig zu bleiben. Abschließend betonten die Diskussionsteilnehmer die Bedeutung gemeinsamer europäischer Standards.
Björn Finke, Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, hat die Veranstaltung moderiert.