Eingeladen in die Hessische Landesvertretung in Brüssel hatte die Hessische Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten Lucia Puttrich gemeinsam mit der Hessischen Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Priska Hinz. Moderiert wurde die Diskussion von Björn Finke von der Süddeutschen Zeitung.
Oliver Conz, Hessischer Staatssekretär für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, erklärte die verbindende Wirkung von Flüssen, die den „Ursprung des gemeinsamen EU-Binnenmarktes“ ermöglicht haben: Flüsse seien zu Handelswegen ausgebaut worden, gleichzeitig habe das Aufstauen von ganzen Flussabschnitten jedoch Folgen für ihre Ökosystemleistungen. Auch die Lahn sei mit zahlreichen Schleusen im Verlauf der letzten Jahrhunderte zur Schifffahrtsstraße ausgebaut worden.
LIFE-Projekt Living Lahn
Das LIFE-Projekt Living Lahn soll die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie an einem zur Schifffahrt ausgebauten Gewässer unterstützen. Prof. Dr. Klement Tockner, Generaldirektor der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung, unterstrich die Bedeutung funktionsfähiger Gewässer für Mensch und Umwelt und wies auf zahlreiche Probleme durch die Verbauung von Gewässern hin. So steige die Wassertemperatur, die Biodiversität nehme ab und Extremereignisse, wie zuletzt im Ahrtal, nähmen zu. Kleinräumige Maßnahmen an einzelnen Flussabschnitten führten nicht zum Erfolg, da auch umgebende Landschaften und der weitere Flussverlauf entscheidend für den Bestand vieler Arten und den Gewässerzustand seien. Systemische Lösungen und tiefgreifende Transformationen seien notwendig, so Prof. Tockner.
EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur
Im Rahmen der anschließenden Podiumsdiskussion diskutierten Bettina Doeser, Referatsleiterin in der EU-Generaldirektion Umwelt, Prof. Klement Tockner, die Europaabgeordneten Jutta Paulus und Christine Schneider und Dr. Raphael Weyland, NABU, über frei fließende Gewässer insbesondere im Zusammenhang mit der aktuell im Verhandlungsprozess befindlichen EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur, die unter anderem auch ein Ziel zur Wiederherstellung frei fließender Gewässer enthält. Jutta Paulus kritisierte, dass der Vorschlag in Teilen nicht weit genug ginge; 25.000 km frei fließende Gewässer seien sehr wenig. Auch Raphael Weyland forderte, dass statt ein Prozent frei fließender Gewässer 15 Prozent erreicht werden müssten. Christine Schneider hingegen kritisierte, dass der Vorschlag auf einer unzureichenden Datenbasis beruhe. Weiterhin sprachen die Podiumsteilnehmerinnen und –teilnehmer über eine mangelnde Umsetzung der bestehenden Gesetzgebung. Christine Schneider bemängelte, dass nicht ausreichend analysiert worden sei, warum bestehende Umweltgesetzgebung in dem Bereich nicht vollständig umgesetzt wurde. Mangelnde Umsetzung beklagte auch Bettina Doeser. Sie hob aber auch hervor, dass der Vorschlag erstmals unterschiedliche Bereiche und Maßnahmen zum Umweltschutz zusammenbringe. Anders als oft kritisiert gefährde der Vorschlag nicht die Ernährungssicherheit, sondern unterstütze die Gewährleistung ausreichender Lebensmittelproduktion durch den Schutz von Böden und Bestäubern.
Bedeutung der Wasserkraft beim Ausbau der Erneuerbaren Energien
Eine weitere Debatte entspann sich bezüglich der Bedeutung der Wasserkraft beim Ausbau der Erneuerbaren Energien. So forderte die Abgeordnete Schneider, dass diese zur Erreichung der europäischen Klimaziele nicht zu stark eingeschränkt werden dürfe. Professor Tockner hingegen war der Auffassung, dass Wasserkraft weder umweltfreundlich noch klimaneutral sei. Frau Doeser forderte, dass vor allem geprüft werden solle, wie bestehende Wasserkraft effizienter genutzt werden könne anstatt neue Kraftwerke zu planen.
Finanzierung von Renaturierungsmaßnahmen
Auch die Finanzierbarkeit von Renaturierungsmaßnahmen wurde in der Diskussion aufgeworfen. Während die Europaabgeordnete Paulus einen neuen Fonds forderte, verwies Frau Doeser auf die bestehenden Finanzierungsinstrumente und stellte fest, dass Renaturierungsmaßnahmen am Ende günstiger seien, als für die Folgen von Überschwemmungskatastrophen aufzukommen. In der anschließenden Fragerunde mit Fragen aus dem Publikum ging es unter anderem um die Verwendung von Forschungsgeldern aus Horizont 2020 für Projekte im Gewässerbereich.