Dies ist ein Zusammenschluss von derzeit über 70 wirtschaftlich starken Regionen in Europa, die gemeinsame Interessen vertreten. Hessen ist der neu gegründeten Allianz vor kurzem beigetreten. Das Top-Thema des gestrigen Gipfels war der Plan der EU-Kommission, die EU-Haushaltsmittel der Kohäsionspolitik stärker auf nationaler Ebene zu zentralisieren.
Am Rande des Gipfels in der Landesvertretung Bayerns in Brüssel sagte Staatssekretärin Karin Müller: „Hessen ist eine starke Region in Europa und wir glauben an das Europa der Regionen. Im Ausschuss der Regionen (AdR) arbeiten wir gemeinsam mit vielen anderen Regionen daran, europäisches Handeln bürgerfreundlicher und sichtbarer zu machen. Anders als in Deutschland, wo wir als Länder im Bundesrat auch eine starke Rolle einnehmen, ist das in vielen Mitgliedstaaten der EU nicht der Fall. Dort ist der AdR oft die einzige Möglichkeit, sich auf europäischer Ebene Gehör zu verschaffen. Doch die Stimmung bei den Regionen ist derzeit schlecht. Die bekanntgewordenen Vorschläge der EU Kommission, künftig die Verteilung der Mittel aus dem EU-Haushalt nur noch mit den Hauptstädten zu verhandeln, würde die bisherige regionale Ausgestaltung der europäischen Regionalförderung abschaffen. Es würde die Regionen zu Almosenempfängern europäischer Mittel degradieren, obwohl gerade in den wirtschaftlich starken Regionen ein Großteil der EU-Mittel erwirtschaftet wird. Es würde vor allem auch die politische Bedeutung der Regionen und damit die demokratische und legitimatorische Verwurzelung der EU schwächen.“
Die Staatssekretärin begrüßte deshalb die Initiative, diese Position auch in einer gemeinsamen Erklärung zu untermauern. „Wenn sich über 70 Regionen Europas zusammenfinden, die gemeinsam über 180 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner Europas repräsentieren, dann kann das in Brüssel nicht mehr übersehen werden. Sollten sich die Pläne der EU-Kommission bestätigen, wonach europäische Fördergelder künftig über die Hauptstädte wie Berlin, Rom oder Paris und nicht mehr regional über Wiesbaden, die Emilia Romagna oder Bordeaux verwaltet werden, dann würde das das Gesicht der EU massiv verändern. Gegen diesen Vorschlag haben wir jetzt ein unüberhörbares Zeichen gesetzt.“
Karin Müller ergänzte: „Dabei geht es nicht um Eitelkeiten der Regionen, sondern darum, wie künftig kleinere und mittlere Unternehmen, soziale Einrichtungen oder überbetriebliche Berufsbildungsstätten, vor Ort unterstützt werden. Es gibt schlicht keinen Grund für einen Systemwechsel von regional zu national. Wir brauchen keine weitere bürokratische Ebene in der Förderpolitik, sondern bürgernahe Lösungen vor Ort. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Berlin besser als Wiesbaden weiß, wo in Fulda, Frankfurt oder Kassel der Schuh drückt. Dies gilt im Übrigen nicht nur für die Mittelverwaltung selbst, sondern auch für die Frage der Verteilungsgerechtigkeit. Von Finanzperiode zu Finanzperiode gibt es die Diskussionen, die starken Regionen weniger oder gar nicht mehr zu fördern. Doch die Verfechter dieser Auffassung unterschätzen die wirtschaftliche Strahlkraft starker Regionen über ihre Grenzen hinweg. Es nützt nichts, nur die strukturschwachen Regionen zu fördern und dabei die Zugmaschinen unseres Wohlstandes zu vernachlässigen. Auch starke Regionen wie Hessen haben besondere Herausforderungen, etwa bei der Digitalisierung oder im Bereich der Forschungsinfrastruktur. Die Allianz der Power Regions Europas ist deshalb nicht nur die Aufforderung an die Kommission, die Zentralisierungsideen beim EU-Haushalt aufzugeben, sondern auch ein Aufruf, die starken Regionen nicht gegen die strukturschwachen Regionen auszuspielen.“
Hintergrund EU Fördermittel in geteilter Mittelverwaltung
Hessen profitiert in erheblichem Maße von Förderungen aus EU-Mitteln. Bei EU-Fördergeldern wird grundsätzlich zwischen den Struktur- und Investitionsfonds einerseits und den von der EU-Kommission direkt verwalteten Förderprogrammen andererseits unterschieden.
Zu den für Hessen relevanten Fonds zählen der Europäische Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) und der Europäische Sozialfonds Plus (ESF+).
Der EFRE ist in der aktuellen Förderperiode auf zwei politische Ziele der Europäischen Union ausgerichtet: Ein „wettbewerbsfähigeres und intelligenteres Europa“ und ein „grüneres Europa“. Im Rahmen dessen werden beispielsweise Projekte zur nachhaltigen Steigerung der Wachstums- und Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittelständischen Unternehmen, zur Förderung von Energieeffizienz oder zur Entwicklung von Forschungs- und Innovationskapazitäten unterstützt.
Der ESF+ ist das wichtigste Instrument der EU zur Förderung von Beschäftigung und sozialer Eingliederung. In Hessen verfolgt der ESF+ mit seinen Programmen insbesondere zwei Ziele: den gleichberechtigten Zugang zu allgemeiner und beruflicher Bildung sowie aktive Inklusion und Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit.
Die Landwirtschaft und der Ländliche Raum in Hessen erhalten hauptsächlich Fördergelder aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL). Zusammen stellen diese beiden Fonds die zwei Säulen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) dar. Die mit dem ELER-Fonds in Hessen angestrebten Ziele, Maßnahmen und geplanten Ausgaben sind für die Jahre 2023-2027 im GAP-Strategieplan festgelegt.
Für die EU-Struktur- und Investitionsfonds erhält Hessen in der aktuellen Förderperiode 2021-2027 einen Betrag von ca. 774.340.500 €, der sich wie folgt aufteilt:
- Europäischer Fonds für die regionale Entwicklung (EFRE): ca. 248.704.700 €
- Europäischer Sozialfonds Plus (ESF+) ca. 169.152.500 €
- Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER): 356.483.300 € für Maßnahmen der Landwirtschaft und das ländlichen Raums (u.a. einzelbetriebliche Investitionsförderung, Ökologischer Landbau, Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete, Dorf- und Regionalentwicklung, Innovation und Zusammenarbeit)
Die EU-Mittel stehen mit unterschiedlichen Beteiligungssätzen in den jeweiligen Programmen zur Verfügung und müssen mit weiteren Mitteln (nationale Mittel oder Landesmittel) kofinanziert werden. Darüber hinaus erhält die hessische Landwirtschaft im aktuellen Jahr 2024 rund 250 Mio. Euro aus dem EGFL, vor allem in Form der sog. Direktzahlungen. Für die 5-jährige Förderperiode 2023-2027 wird der zu erwartende Gesamtbetrag auf rd. 1,2 Mrd. Euro geschätzt.