Bürgerschaftliches Engagement in Hessen als Garant des gesellschaftlichen Zusammenhalts

Studienergebnisse zum bürgerschaftlichen Engagement in Hessen

Eine Studie aus Sicht der Engagierten

Im Jahr 2022 wurde involas, das Institut für berufliche Bildung, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, von der Hessischen Staatskanzlei mit einer Studie beauftragt, die das bürgerschaftliche Engagement in Hessen aus Sicht der Engagierten thematisiert.

Ziel der Studie

Der Freiwilligensurvey aus dem Jahr 2019 (FWS 2019) sollte um aussagekräftige, statistisch valide und aktuelle Daten zum bürgerschaftlichen Engagement in Hessen mit einem Schwerpunkt auf den ländlichen Räumen ergänzt werden. Dabei sollten neben den aktuellen Herausforderungen nach der Corona-Pandemie auch die sonstigen gesell­schaftlichen Entwicklungen, die das bürgerschaftliche Engagement tangieren, beschrieben werden. Darüber hinaus werden Informationen zu Unterschieden im Engagement in den verschiedenen Regionen Hessens als auch erstmals zum informellen Engagement geliefert. Die Befragungen erfolgten vom 8. September bis 4. November 2022.

Ausgewählte Ergebnisse

  1. Der Anteil der in formalen organisatorischen Strukturen freiwillig engagierten Personen in Hessen liegt im Jahr 2022 bei 56,7 Prozent.
    Die Engagementquote liegt damit um rund 15 Prozentpunkte über der Engagement­quote des FWS 2019. Es ist zu vermuten, dass diese außergewöhnlich hohe Engage­mentquote auf eine Zunahme des Engagements im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, der Hochwasserkatastrophe und dem russischen Angriffskrieg zurück­zuführen ist. Darauf weisen auch die Ergebnisse zur Dauer des längsten Engagements hin, so waren 22,7 Prozent der Engagierten zum Zeitpunkt der Befragung weniger als ein Jahr engagiert.
     
  2. Unter Berücksichtigung des informellen Engagements beträgt die Engagement­quote in Hessen sogar 58,3 Prozent.
    Informell engagiert sind in Hessen 15,3 Prozent. Nur ein sehr geringer Anteil davon (2,7 Prozent) ist ausschließlich informell, also außerhalb formaler Strukturen freiwillig engagiert. Der überwiegende Teil derjenigen, die sich informell freiwillig engagieren, sind also mehrfach und auch in formalen Strukturen freiwillig engagiert. Hauptgrund für die informell engagierten Personen (85 Prozent) ist, sich nicht fest binden zu wollen. Damit liegt die These nahe, dass informelles Engagement den Engagierten die größtmögliche Flexibilität bietet.
     
  3. Der Charakter des Wohnorts weist keinen statistischen Zusammenhang mit der Engagementquote auf.
    Anders als im FWS 2019 sind räumliche Merkmale wie die Gemeindegröße und der Raumtyp für das freiwillige Engagement nicht von Relevanz. Grund hierfür könnte die insgesamt höhere Engagementquote sein, die frühere Unterschiede nivellieren oder aber eine dahingehende langfristige Entwicklung, dass das Land-Stadt-Gefälle im Engagement abnimmt. Dahingegen spielt die Verbundenheit mit dem Wohnort eine große Rolle dafür, ob Personen sich freiwillig engagieren oder nicht. Der Anteil der freiwillig engagierten Personen ist umso höher, je stärker die Verbundenheit mit dem Wohnort ist, dies zeigt, dass die Verbundenheit mit der Heimat ein wesentlicher Faktor für Engagement ist.
     
  4. Es gibt kaum Unterschiede in der Engagementquote unter Berücksichtigung des Migrationshintergrunds.
    Anders als im FWS 2019 zeigen sich keine signifikanten Unterschiede in der Engagementquote nach Migrationshintergrund. Auch hier liegt die Vermutung nahe, dass dieser Befund mit der insgesamt höheren Engagementquote zusammenhängt, wodurch sich Unterschiede nach Migrationshintergrund, die sich zuvor im Engagementverhalten gezeigt haben, nivellieren.
     
  5. Viele Nicht-Engagierte waren früher einmal engagiert.
    37,4 Prozent der Nicht-Engagierten waren früher einmal engagiert, dabei steigt der Anteil mit dem Alter linear an. Wesentliche Gründe für die Beendigung des Engagements sind gesundheitliche Gründe (51,9 Prozent), gefolgt von familiären (45,6 Prozent) und beruflichen Gründen (43,5 Prozent). Je älter die früher einmal Engagierten sind, desto häufiger nennen sie gesundheitliche Gründe. Was berufliche Gründe angeht, ist der Zusammenhang mit dem Alter umgekehrt. Die Studie weist somit wichtige Erkenntnisse zu Beendigungs- und Hinderungsgründen auf, die sich zum Teil nach sozialstrukturellen und räumlichen Merkmalen unterscheiden.
     
  6. Die Hessinnen und Hessen engagieren sich besonders im Rahmen von Krisen.
    Das Engagement der Hessinnen und Hessen im Rahmen von Krisen zeigt sich darin, dass mehr als zwei Fünftel (44,8 Prozent) der aktuell freiwillig Engagierten sich im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie engagiert haben. Für Geflüchtete aus der Ukraine wurde rund ein Drittel der freiwillig Engagierten seit Februar 2022 tätig (33,0 Prozent). Selbst für Opfer der Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen im Sommer 2021 haben sich 23,5 Prozent engagiert, dabei wurden Spenden ausdrücklich nicht als Engagement erfasst. Bestätigt wird diese Krisenresilienz dadurch, dass mehr als ein Fünftel der Engagierten erstmals binnen des letzten Jahres und ein weiteres Fünftel erstmals in den letzten ein bis fünf Jahren freiwillig tätig wurde.
     
  7. Die Krisen und gesellschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Jahre haben das Engagement in Hessen nur in Teilen verändert.
    61,6 Prozent der freiwillig Engagierten gaben an, dass sich ihre Tätigkeiten durch eine oder mehrere der Krisen und gesellschaftlichen Entwicklungen verändert haben. Darunter vorrangig die Corona-Pandemie (46,7 Prozent). Andere gesellschaftliche Entwicklungen oder Krisen haben dagegen nicht in größerem Maße zu Veränderungen der freiwilligen Tätigkeiten geführt. Zwar nutzen inzwischen 61,1 Prozent das Internet für ihre Tätigkeit, jedoch nur 6,7 Prozent ausschließlich und doch noch 24,1 Prozent kaum.
     
  8. Das Engagement jüngerer Menschen ist überdurchschnittlich hoch.
    So sind 67,6 Prozent der 14 bis 29-Jährigen in Hessen engagiert. Damit weisen sie die höchste Engagementquote aller Altersgruppen auf.

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