Crisis Talks - Die nukleare Weltordnung in der Krise

Internationale Abrüstungsabkommen werden weltweit verletzt und teilweise aufgekündigt. Um dieses Thema in der EU mehr in den Fokus zu rücken, haben Europaministerin Lucia Puttrich, der Leibniz-Forschungsverbund sowie das Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ der Goethe Universität in Frankfurt/M in die Hessische Landesvertretung in Brüssel eingeladen eingeladen.

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Unter dem Titel „Die Krise der Nichtverbreitung – Zur Erneuerung der nuklearen Ordnung“ fand die Veranstaltung als Teil der Reihe "Crisis Talks" statt.

Die aktuellen Konflikte, zu denen unter anderem der Rückzug Russlands und der USA aus dem Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme (INF-Vertrag), der „Iran-Deal“, die Lage in Venezuela, der Libyenkonflikt und der Ausstieg Nordkoreas aus dem Atomwaffensperrvertrag gehören, bringen die nukleare Weltordnung in Unordnung.

Der Hessische Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz begrüßte im Namen der Hessischen Landesregierung die Gäste. Das Thema der Veranstaltung sei politisch hochaktuell, aber bisher in den Staaten nicht hinreichend wahrgenommen worden. Es sei zu befürchten, dass die jetzige Ordnung brüchig sei und Zerfallserscheinungen zeige. Dennoch sei der Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV) aus dem Jahre 1968 bis heute das wichtigste Instrument zur Kontrolle der nuklearen Rüstungsbegrenzung überwiegend eine Erfolgsgeschichte. Gleichwohl stecke der NVV als elementarer Baustein der Friedens- und Sicherheitsarchitektur in einer wirklich tiefen Krise. Er wies darauf hin, dass es bei der Debatte über nukleare Rüstung in Europa fatal wäre, einseitig nur Rüstung und Waffensysteme zu fokussieren. Mitzudenken sei auch die Bewältigung großer Zukunftsfragen der Menschheit, wie etwa Klimawandel.

Prof. Dr. Nicole Deitelhoff, Direktorin des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung/Sprecherin des Leibniz-Forschungsverbunds „Krisen einer globalisierten Welt“, kritisierte, dass Abrüstungsverträge in der nuklearen Weltordnung verletzt oder beendet werden. Es sei darüber hinaus umstritten, wie das Ziel einer Welt ohne oder mit weniger Atomwaffen erreicht werden könne und welche konkreten Schritte zur Überwachung, Überprüfung oder Verbannung nuklearer Waffen unternommen werden müssten. Sie warf die Frage auf, welche Kooperationsformen geeignet seien, um die Interessen der Staatengruppen zu diskutieren, die über Atomwaffen verfügen, und derjenigen, die atomwaffenfrei seien. Prof. Dr. Christopher Daase, Co-Direktor des Leibniz-Instituts, beleuchtete den Status internationaler Verträge und Initiativen. Von besonderem Interesse seien die Positionen europäischer Akteure und die Frage, wie ein gemeinsamer europäischer Standpunkt knapp 50 Jahre nach dem Inkrafttreten des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen aussehen könnte. Das Risiko einer nuklearen Katastrophe war nie so groß wie heute, sagte Daase und forderte die Bereitschaft der Staaten miteinander ins Gespräch zu kommen. Hierzu müsste das Thema über das Europäische Parlament stärker in den Fokus gerückt werden.

In der anschließenden Podiumsdiskussion diskutierten Prof. Dr. Daase, Elizabeth Konstantinova, Europäischer Auswärtiger Dienst, und Dr. Tytti Erästö, Stockholm International Peace Research Institute, vertiefende Aspekte des Themas, insbesondere die Rolle der EU im Zusammenspiel mit den Mitgliedsstaaten über die Zukunft der nuklearen Ordnung aus europäischer Perspektive. Moderiert wurde die Veranstaltung von Astrid Corall, NDR/WDR Hörfunkstudio Brüssel.

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