Der Jahresempfang des Ministerpräsidenten in Brüssel hat seit vielen Jahren Tradition. Nach zweijähriger pandemiebedingter Unterbrechung wurden wieder zahlreiche prominente Gäste in der Hessischen Landesvertretung begrüßt, unter anderem der ukrainische Botschafter bei der EU, Vsevolod Chentsov, sowie zahlreiche Europaabgeordnete, Mitglieder des Hessischen Landtags, Mitglieder aus den Kabinetten der Europäischen Kommission, hohe Beamte der EU-Institutionen sowie Vertreterinnen und Vertreter der Medien.
17. Mai 2022
Jahresempfang: Hessischer Ministerpräsident Volker Bouffier in Brüssel
Freiheit und Frieden sind nicht mehr selbstverständlich
Zeitenwende sei das Stichwort, das von allen Seiten vorgetragen wird, sagte der Ministerpräsident in seinen einführenden Worten. Die Grundidee der europäischen Gemeinschaft sei die Schaffung eines Raums des Friedens, der Freiheit und des Rechts. Wer einem Land das Existenzrecht abspreche, stelle die Idee der Europäischen Gemeinschaft infrage. „Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine zeigt uns, wie schnell sich Situationen ändern können und dass Freiheit und Frieden nicht mehr selbstverständlich sind“, so Volker Bouffier. Eine weitere Gefahr sah der Ministerpräsident in der Renaissance des Nationalismus in Europa. Daher sei es notwendig, angesichts der Kumulation der riesigen Herausforderungen die europäische Idee weiter mit Leben und Herz zu füllen. Auch wenn die jetzige Situation bedrückend sei, müsse man den Optimismus beibehalten, um Europa zusammenzuhalten. Und denen, die dazukommen wollen, sagen, dass sie willkommen sind.
Nur gemeinsam sind wir stärker
Jean-Claude Juncker würdigte Ministerpräsident Bouffier als verdienten und überzeugten Europäer, auch zu Zeiten, in denen andere Europäer sich eher kritisch und distanziert verhalten hätten. Er ging auch auf die langjährige Freundschaft ein, die beide Politiker miteinander verbinde und dankte ihm für viele Jahre der treuen Begleitung. Auch Jean-Claude Juncker sprach in seiner Festrede den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine an. Man müsse die Ukraine, die sich für den europäischen Weg entschieden hat, bei dem Prozess unterstützen, sagte er. Denn wer sich am Völkerrecht vergreife, vergreife sich an der europäischen Identität und an der europäischen Friedensidee. Als Erben der Kriegsgeneration seien wir diesem Erbe verpflichtet. Mit Russland als größtem Nachbarn der Europäischen Union müssten wir uns zukünftig wieder annähern, allerdings sei das mit Putin offenbar nicht möglich. Er bemängelte, dass unser Wissen über andere Europäer in anderen europäischen Ländern unterentwickelt sei, wir dafür aber den Anspruch haben, Prinzipien zu entwickeln, die für alle gelten. Nur wenn man mit geeinter Stimme bei den „Supermächten“ auftrete, würden wir zur Kenntnis genommen, betonte der ehemalige Kommissionspräsident. Außerdem müsse die Verteidigungspolitik neu aufgestellt werden. Er schloss mit den Worten, man müsse sich vor Augen halten, dass eine Stunde Krieg in der Europäischen Union teurer als 100 Jahre Europäische Union sind.
Europaministerin Lucia Puttrich ging ebenfalls auf die Verdienste des Hessischen Ministerpräsidenten ein, der entschieden habe, am 31. Mai sein Amt aufzugeben und es in andere Hände zu überführen. Es sei sein letzter Besuch in Brüssel in dieser Funktion. Puttrich begrüßte auch Bouffiers großes Engagement für die Hessische Landesvertretung und betonte die Einmaligkeit der Zusammenarbeit Hessens mit seinen Partnerregionen Nouvelle-Aquitaine, Emilia-Romagna und der Wielkopolska im Mehr-Regionen-Haus in Brüssel. Sie nahm unter anderem auch Bezug auf die Rede von Jean-Claude Juncker und unterstrich, dass man sich in der Europäischen Union untereinander noch besser austauschen müsse, um die Positionen anderer zu verstehen. Insbesondere sei es wichtig, in dieser Zeit ein deutliches Zeichen denen zu geben, die auf die EU bauen, wie beispielsweise der Ukraine.
Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der Präsidentin des Europäischen Parlaments Roberta Metsola sowie weiteren hochrangigen Vertretern der EU-Institutionen in Brüssel
Die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen empfing den Hessischen Ministerpräsidenten zu einem Vieraugengespräch. Im Mittelpunkt des Gesprächs mit der Präsidentin des Europäischen Parlaments Roberta Metsola standen Fragen zur Zukunft der EU und die Folgen des Ukraine-Krieges. Bei seinen weiteren Gesprächen mit hochrangigen Vertretern der EU-Institutionen traf Ministerpräsident Bouffier unter anderem den für die EU-Finanzdienstleistungspolitik zuständigen Exekutiv-Vizepräsidenten der Europäischen Kommission Valdis Dombrovskis. In dem Gespräch standen Fragen der Reform der Wirtschafts- und Währungsunion sowie die Einhaltung der Regeln der Stabilitäts- und Wachstumspaktes im Vordergrund. Ferner wurde die Frage der Finanzierung der Hilfsleistungen für die Ukraine angesprochen. Zudem hat Bouffier für Frankfurt als Sitz der neuen EU-Agentur zur Bekämpfung von Geldwäsche geworben. Weitere aktuelle Fragen der EU-Politik, wie der Green Deal und die Prioritäten der französischen und folgenden tschechischen Ratspräsidentschaft, waren Gegenstand des Gesprächs mit Botschafter Michael Clauß, Ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der EU. Ferner erörterte der Hessische Ministerpräsident mit Botschafter Clauß den Sachstand der Verhandlungen zum 6. Sanktionspaket wegen des Ukrainekriegs und zu der EU-Verordnung zur Einrichtung der AMLA.
Ein besonderes Highlight für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hessischen Landesvertretung war das „Come together“ mit dem Ministerpräsidenten nach seiner Anreise in Brüssel.