Prof. Wuermeling wies darauf hin, dass die Transformation in dem derzeitigen inflationären Umfeld nur mit Schwierigkeiten finanziert werden könne, da die Kosten unberechenbar seien. Häufig stehe bei Investitionsfragen der Klimawandel im Vordergrund, die Digitalisierung sei aber genauso wichtig. Denn der Arbeitskräftemangel, in vielen europäischen Staaten könne langfristig nur durch Automatisierungen kompensiert werden. Er erklärte weiter, Umbrüche seien für Banken zwar nichts Neues, die Transformation nehme aber neue Dimensionen an. Geld sei vorhanden, jedoch führe die Zinswende zu großen Abwertungen bei Einlagen, da die Banken auf Spareinlagen höhere Zinsen zahlen müssten, gleichzeitig aber noch Niedrigzinskredite in ihrem Bestand haben. Prof. Wuermeling betonte, die Währungsunion und der Binnenmarkt seien zwar gute Voraussetzungen für die Finanzierung, jedoch funktioniere die Finanzmediation nicht gut. Das Geld fließe nicht immer dorthin, wo es gebraucht werde. Das Kapital der Banken bestehe hauptsächlich aus Spareinlagen. Diese wolle der Anleger allzeit verfügbar haben und risikoarm anlegen. Für Investitionen in die Transformation brauche man aber langfristiges Geld und müsse Risiken eingehen. Wenn man diesen Konflikt nicht auflöse, müsste die Transformation mit Mitteln ausländischer Investoren finanziert werden.
„Europa im Gespräch“
Im anschließenden Gespräch mit dem Chefredakteur der Börsenzeitung erläuterte Wuermeling, die befürchtete Rezession werde in der Summe wohl gering ausfallen, aber sehr asymmetrisch, da manche Geschäftsmodelle nicht mehr funktionierten. Daher werde es trotzdem zu relevanten einzelnen Kreditausfällen kommen. Von einer Lockerung der Aufsicht halte er nichts, da das zu einem hohen Kapitalabfluss führen würde. Im Unterschied zu der Corona-Pandemie handele es sich bei der Transformation um einen strukturellen Wandel. Deswegen könne die Flexibilität im Rahmen der Bankenaufsicht aus der Corona-Zeit nicht beibehalten werden.
Im Vorfeld der Abendveranstaltung erörterte Prof. Wuermeling mit Vertretern der Finanzindustrie vorwiegend aktuelle Fragen zur Inflationsbekämpfung. Prof. Wuermeling führte aus, es handele sich um eine sehr bereichsspezifische Inflation, die fast rein angebotsgetrieben sei. Dagegen helfe das Abbremsen der Binnenmarktkonjunktur zunächst nicht. Allerdings hätten sich die hohen Energiepreise auf die gesamte Volkswirtschaft übertragen, sodass die Inflation selbsttragend geworden sei. Dies wiederum könne nur mit geldpolitischen Mitteln bekämpft werden, also mit Zinserhöhungen. Eine Rezession sei dabei nicht zu vermeiden, sondern sogar gewollt.