XIX. Europäischer Presseclub: „Ein heißer Herbst vor einem kalten Winter“

Im Mittelpunkt der Podiumsdiskussion stand die Energiekrise und deren Einfluss auf die europäische Solidarität im Schatten der russischen Kriegsführung. Eingeladen zu der Veranstaltung am 26.10.2022 in der Hessischen Landesvertretung hatte die Hessische Europaministerin Lucia Puttrich.

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Es diskutierten Maria Psara, von der Zeitung Efimerida ton Syntakton Greece in Griechenland, Desislava Apostolova vom Bulgarischen Nationalen Fernsehen sowie Peter Kapern vom Deutschlandfunk mit Moderator Michael Stabenow, ehemaliger EU-Korrespondent der FAZ. Diskutiert wurde die Frage, ob es realistische Aussichten gibt, die Probleme in der Europäischen Gemeinschaft in den Griff zu bekommen? Laut Kapern steht die Europäische Union (EU) ziemlich genau da, wo sie vor einem Jahr stand. Fraglich sei, ob die EU sich einen solchen Stillstand in der derzeitigen Situation erlauben kann. Er führte weiter aus, nach wie vor gebe es zwei Lager in der Energiefrage: Einerseits seien Staaten wie Spanien, Italien, Portugal, Griechenland oder Frankreich geübt in Markteingriffen und hielten diese gerade beim Gaspreis für notwendig, weil der Markt nicht funktioniere. Aus Sicht dieser Staaten sei in bestimmen Situationen der Staat der bessere Unternehmer. Demgegenüber stehe das nördliche Lager der EU, das genau diese Meinung nicht teilt. Gleichwohl warb er auch für Verständnis für diesen Stillstand. Dahinter stünden nationale Interessen, wie beispielsweise in Deutschland, die steigende Inflation und politische Schwierigkeiten an den „Rändern“ sowie möglicherweise ein harter Winter. Doch jede Lösung sei besser als keine Lösung, lautete die Einschätzung der Podiumsteilnehmer. Griechenland unterstütze im Gegensatz zu Deutschland eine Preisdeckelung, betonte Maria Psara. Die griechische Bevölkerung sehe Deutschland kritisch, da das Land weiter die Gasdeckelung blockieren würde. Wieder einmal seien die Erwartungen an den Europäischen Rat am 21./22. Oktober 2022 enttäuscht worden. Desislava Apostolova ergänzte, dass auch das kurz darauf stattgefundene Treffen der EU-Energieminister keine Lösung zum Gaspreisdeckel gebracht habe. Nicht nur Deutschland, sondern auch die Niederlande hielten einen Gaspreisdeckel für den falschen Weg. Peter Kapern stellte zunächst fest, dass Deutschland wohl das politische Geschick gefehlt habe, als man den „Doppel-Wumms“ beschlossen hat. Wegen nationalen Drucks habe man die Kommunikation ins EU-Ausland schlicht vergessen und nicht über die immense mediale Reaktion nachgedacht. Dem stimmte die Runde zu, mit der Anmerkung seitens Desislava Apostolova, dass dies unter Angela Merkel wohl anders gewesen wäre. 

XIX. Europäischer Presseclub: „Ein heißer Herbst vor einem kalten Winter“
v.l.n.r. es diskutierten Maria Psara, Efimerida ton Syntakton Greece (Zeitung), Moderation Michael Stabenow, ehemaliger EU-Korrespondent der Frankfurter Allgemeine Zeitung, Desislava Apostolova, Bulgarisches Nationales Fernsehen (BNT); Peter Kapern, Deutschlandfunk

Der deutsch-französische Motor

Thematisiert wurde auch, wie es um den deutsch-französischen Motor bestellt ist. Man versuche, in der EU Einigkeit zu demonstrieren, um Putin nicht das Bild einer gespaltenen EU zu präsentieren, meinte Peter Kapern. 2020 hätte auch niemand erwartet, dass die EU auf Krisen, wie jetzt den Angriffskrieg Russlands, mit dieser Einigkeit der acht Sanktionspakete reagiert.

Im weiteren Verlauf der Veranstaltung wurden die innenpolitischen Probleme in Griechenland und Bulgarien angesprochen, insbesondere auch die politische Situation nach der Parlamentswahl in Bulgarien. Aus Sicht der bulgarischen Journalistin sind Neuwahlen nicht auszuschließen. Die griechische Journalistin machte darauf aufmerksam, dass es um die wirtschaftliche Lage im Land schlechter als gedacht bestellt sei. Schlussendlich ging es um die EU-Erweiterung im Westbalkan. Unwahrscheinlich sei, so die Einschätzung der Diskutanten, dass dies in naher Zukunft geschieht, da die Länder des westlichen Balkans ebenfalls intern einen langen Verhandlungsprozess durchlaufen müssen, bevor sie der EU beitreten können.