Highlight des Jahres: Der Jahresempfang des Ministerpräsidenten Boris Rhein

Am 2. Mai haben der Hessische Ministerpräsident Boris Rhein und die Hessische Europaministerin Lucia Puttrich zum traditionellen Jahresempfang in die Hessische Landesvertretung eingeladen. Exekutiv-Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis hielt die Festrede.

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Der Hessische Ministerpräsident Boris Rhein erläuterte den rund 500 Gästen in seinen einführenden Worten seine Position zur aktuellen europapolitischen Lage. Mit Beginn des grausamen Angriffskriegs Putins gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 sei der auf dem europäischen Kontinent für sicher gehaltene Frieden keine Selbstverständlichkeit mehr. Am weiteren Kriegsgeschehen entscheide sich, ob künftig das Recht des Stärkeren oder die Stärke des Rechts in Europa gelte, betonte der Ministerpräsident. Der Stärke des Rechts wies er entscheidende Bedeutung bei der Frage zu, wie der europäische Mehrwert zu definieren sei. Boris Rhein hob in diesem Kontext die Bedeutung der Paulskirchen-Verfassung hervor, die noch in diesem Monat ihr 175-jähriges Jubiläum feiert. Die Frankfurter Paulskirche sei der Ort, an dem vor 175 Jahren Deutschland die Demokratie einen verheißungsvollen Anfang genommen hat. Was hier gesagt wurde, präge bis heute die Verfassungsgeschichte unseres Landes. Demokratie müsse zu jeder Zeit gelebt werden und man müsse Kräften, die sie ablehnen und bekämpfen, entschlossen und wirkungsvoll entgegentreten.

Gemeinschaftlich handeln – keine Alleingänge

Was genau macht unsere europäischen Werte aus und worin liegt der Mehrwert? Es gehe vor allem um Frieden und Freiheit, dies sei die wichtigste Errungenschaft der EU, sagte Boris Rhein. Er führte weitere Beispiele auf, in denen sich nationale Insellösungen verbieten und die Europäische Union (EU) ihren Mehrwert unter Beweis stelle. Unter anderem gehörten hierzu die Bekämpfung des Klimawandels, die Energiesicherheit, die Ausgestaltung einer effektiven Asyl- und Migrationspolitik sowie das Thema Handelspolitik. Da vernünftige Lösungen zumeist von der Kompromissbereitschaft der einzelnen Akteure und der strukturierten Herangehensweise auf EU-Ebene abhänge, dankte der Ministerpräsident den Handelnden in der EU. Er betonte ferner die vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit mit den hessischen Partnerregionen – Emilia Romagna aus Italien, Nouvelle-Aquitaine aus Frankreich und Wielkopolska aus Polen. In diesem Zusammenhang freute er sich, dass das Mehr-Regionen-Haus mit Hessischer Landesvertretung in diesem Jahr sein beispielhaftes und erfolgreiches 10-jähriges Bestehen feiert.

Ministerpräsident Boris Rhein begrüßt die Gäste
Ministerpräsident Boris Rhein begrüßt die Gäste

Festrede Exekutiv-Vizepräsident Valdis Dombrovskis

Den Festredner des Jahresempfangs, Exekutiv-Vizepräsident Valdis Dombrovskis, würdigte der Ministerpräsident als für Hessen bedeutenden Ansprechpartner bei wichtigen Fragen zur EU-Finanzplatz-Regulierung und bei der Standortfrage für die EU-Anti-Geldwäsche-Behörde (AMLA). Valdis Dombrovskis, Exekutiv-Vizekommissionspräsident der Europäischen Kommission für eine Wirtschaft im Dienste des Menschen und Kommissar für Handel, erläuterte die aktuelle finanzpolitischen EU-Themen und verwies in diesem Zusammenhang unter anderem auf die jüngst von der Europäischen Kommission vorgelegten Initiativen: So habe die Kommission beispielsweise in der vergangenen Woche ihren Vorschlag zur Reform der EU-Fiskalregeln vorgelegt. Er äußerte die Hoffnung, eine diesbezügliche Einigung zwischen den EU-Institutionen bis Ende des Jahres zu erzielen. Im Weiteren führte er aus, dass Frankfurt - als Sitz der Europäischen Zentralbank, der Bundesbank und dem Statistischem Bundesamt - ein für die EU enorm wichtiger Standort sei. Bezogen auf die deutsche Wirtschaftskraft betonte er, Deutschland habe sich als resilienter Mitgliedsstaat erwiesen. So sei es unter anderem gelungen, die Energieversorgung in ausreichendem Maße von russischem Gas zu entkoppeln. Betreffend die Zukunft der Bankenunion sprach er sich für die konsequente Anwendung der sog. Basel-Regulierungen in der gesamten EU aus. Zu den Verhandlungen zu Basel III äußerte der Exekutiv-Vizepräsident die Erwartung, bis Sommer eine Einigung zwischen Europäischem Parlament und Rat zu erzielen. Insgesamt müsse die Bankenunion vervollständigt werden. Abschließend ging Dombrovskis auf die in seinem Zuständigkeitsbereich liegende EU-Handelsagenda ein. Ziel der EU sei es, ihre Führungsrolle weiter auszubauen, um zum einen die eigene wirtschaftliche Situation zu stärken, zum anderen aber auch, um die Handelsbeziehungen als Verhandlungsplattform für anderweitige Politikbereiche nutzen zu können. Insgesamt gehe es zur Schaffung eines fairen Wettbewerbs um die Begünstigung des offenen, aber dennoch regelbasierten Handels.

Festrede mit Exekutiv-Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis
Festrede mit Exekutiv-Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis

Nie war Europa wichtiger

In ihrer Schlussbemerkung bekräftigte Europaministerin Lucia Puttrich, die EU stelle gerade in Kriegs- und Krisenzeiten ihre Handlungsfähigkeit und Besonnenheit unter Beweis. Auch weiterhin gehe es natürlich darum, die Ukraine zu unterstützen. Wichtig sei es aber auch, die eigene Verteidigungsfähigkeit verstärkt in den Blick zu nehmen. Die nachhaltige Ausgestaltung der europäischen Zukunft hänge ferner auch von einer tragfähigen europäischen Erweiterungspolitik ab, insbesondere bezogen auf die Länder des Westbalkans.

Dabei betonte sie, dass vielen klargeworden sei, dass man noch viel mehr für den Frieden und unsere Sicherheit machen müsse. Die Mitgliedstaaten haben die Ukraine mit Geld, Waffen und anderen Hilfsgütern unterstützt und tun dies auch weiterhin. Man müsse aber mit gleicher Intensität an einer neuen europäischen Verteidigungsstrategie und vor allem an der Ausrüstung der nationalen Armeen arbeiten.

Europaministerin Lucia Puttrich
Europaministerin Lucia Puttrich

Austausch mit Exekutiv-Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis

Im Vorfeld der Veranstaltung traf Ministerpräsident Rhein mit Exekutiv-Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis zusammen. Er ist als Exekutiv-Vizepräsident zuständig für viele Themen, die für Hessen von großer Bedeutung sind, wie zum Beispiel Handel, Finanzen und Finanzdienstleistungen sowie das im September 2021 von der Kommission vorgestellte Anti-Geldwäschepaket in Verbindung mit der Gründung der Antigeldwäscheagentur (AMLA), für deren Ansiedlung in der Bankenmetropole Frankfurt sich Hessen ganz besonders eignet. Im Fokus des Gesprächs standen das EU-Bankenpaket, das Geldwäschepaket, die AMLA-Bewerbung Frankfurts, die Zukunft der Wirtschafts-und Währungsunion sowie die EU-Handelspolitik.