Literat Robert Menasse und EU-Kommissar Hahn in der Hessischen Landesvertretung Brüssel

Full House: Der Schriftsteller Robert Menasse las am 28. Februar aus seinem neuen Buch „Die Erweiterung“ und diskutierte anschließend u.a. Perspektiven für den Beitritt von Ländern des westlichen Balkans in die Europäische Union (EU) mit Johannes Hahn, EU-Kommissar für Haushalt und Verwaltung.

Eingeladen hatten die Hessische Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten

Lucia Puttrich, das Goethe-Institut Brüssel sowie das Österreichische Kulturforum Brüssel.

Die österreichische Botschafterin beim Königreich Belgien und der Nato, Frau Dr. Elisabeth Kornfeind, begrüßte, dass der Autor dem Thema Europa treu geblieben ist und hob hervor, dass die Krisen der Jahre seit Erscheinen des ersten Romans von Menasse gezeigt haben, dass die Krisenbewältigung in der Gemeinschaft besser gelingt.

 

Robert Menasse begann seine Lesung mit dem Prolog des Romans, in dem die Protagonisten vorgestellt werden: Sie finden sich alle in der Rüstkammer des kunsthistorischen Museums der Wiener Hofburg ein und betrachten den dort ausgestellten Helm des albanischen Nationalhelden aus dem 15. Jahrhundert „Skanderbeg“. Alle verbinden mit dem Helm ganz unterschiedliche Erinnerungen und Emotionen – ein Denkmal in der Heimatstadt, das als Treffpunkt mit der Freundin diente, oder über das man als Kind einen Aufsatz schrieb. Ein albanischer Künstler betrachtet den Helm mit Nationalstolz. Für ihn ist er ein Symbol für ein geeintes Albanien. Dass er das Museum wegen der bevorstehenden Schließung eilig verlassen muss, verbindet er gedanklich in einem Kunstwerk mit den Enttäuschungen im EU-Beitrittsprozess Albaniens: „Europa, wir schließen in fünf Minuten“.

v.l.n.r.Dr. Johannes Hahn, EU-Kommissar für Haushalt und Verwaltung, Robert Menasse, Moderator Peter Kapern, Deutschlandradio, Studio Brüssel
v.l.n.r.Dr. Johannes Hahn, EU-Kommissar für Haushalt und Verwaltung, Robert Menasse, Moderator Peter Kapern, Deutschlandradio, Studio Brüssel

Diskussionsrunde Robert Menasse und EU-Kommissar Hahn

Moderator Peter Kapern vom Deutschlandradio eröffnete die anschließende Debatte zwischen Robert Menasse und Kommissar Hahn mit einer Passage aus dem Schlusskapitel des Buches, die die EU mit einem steuerlos und ziellos treibenden Kreuzfahrtschiff auf dem Ozean vergleicht, an dessen Bord Menschen an einer unbekannten Krankheit sterben und dessen Passagiere nur bereit sind, einen kleinen Teil schiffbrüchiger Flüchtlinge aufzunehmen. Sieht der Autor die Zukunft der EU derartig schwarz oder realistisch?

Menasse relativierte diese pessimistische Metapher, indem er darauf hinwies, dass die Geschichte der EU von Zeit zu Zeit gezeigt habe, dass, wenn Krisen besonders dramatisch wurden, Entscheidungen und Weiterentwicklungen der EU möglich waren, die noch vorher undenkbar waren. EU-Kommissar Johannes Hahn: In krisenhaften Situationen sei es oft hilfreich, Anker zu werfen, um zu stabilisieren. Die Union stabilisiere, um Zeit für die Analyse zu gewinnen und komme dann, zwar manchmal langsam, aber zuverlässig ins Handeln. Das zeichne die EU aus. Die Geschichte lehre uns, dass die EU imstande sei, mit Herausforderungen und Krisen gut umzugehen. Im weiteren Verlauf des Gesprächs standen die Themen Rechtsstaatlichkeit und Erweiterung im Mittelpunkt. Menasse wies auf den Widerspruch hin, dass in Drittstaaten, die mit der EU sehr viele Hoffnungen verbinden und EU-Recht implementieren, mit dem Versprechen auf eine Heranführung an die EU Wahlen gewonnen werden. In einigen Mitgliedsstaaten hingegen führe die Kritik an der EU und die Opposition zu europäischen Regeln wiederum zum Wahlerfolg. Und während der Ukraine nach Ende des Krieges ein zügiger Beitritt zur EU in Aussicht gestellt wird, müsse Albanien, das bereits vorbildliche Reformen durchgeführt habe, weiter warten. Kommissar Hahn entgegnete, dass ein Beitritt der Ukraine einem Beitritt der Staaten des westlichen Balkans durchaus nicht entgegenstehe. Allerdings seien die Beitrittsbedingungen heute schwieriger als früher.

Die Leiterin des Goethe Instituts Brüssel, Frau Dr. Kaschl-Mohni, lobte in ihrem Schlusswort das Zusammenspiel der singulären Perspektiven im Roman, woraus sich das Gesamtbild ergebe. So könne auch das Zusammenspiel der Mitgliedsstaaten in der EU beschrieben werden.

Die Gestalterinnen und Gestalter des Abends
Die Gestalterinnen und Gestalter des Abends

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