Nationale Minderheiten in der EU – eine Aufgabe für die EU?

Inwieweit sind nationale Minderheiten eine Aufgabe für die EU? Sollte sich die EU mehr einsetzen für sprachlich-kulturelle Minderheiten in ihren Mitgliedstaaten? Fragen, die am 31.01. mit Experten und Angehörigen unterschiedlicher Minderheiten in der Hessischen Landesvertretung diskutiert wurden.

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Europaministerin Lucia Puttrich, die zu der Veranstaltung eingeladen hatte, unterstrich, dass nationale Minderheiten zu Europa gehören und einen wichtigen Bestandteil der kulturellen Vielfalt darstellen. In fast allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union leben nationale Minderheiten. In vielerlei Hinsicht geben diese autochthonen Minderheiten ein sichtbares Beispiel für das Leitbild der EU: „Einheit in Vielfalt“, betonte Lucia Puttrich. Der ehemalige hessische Landtagsabgeordnete Siegbert Ortmann und Vorsitzende des Deutsch-Europäischen Bildungswerks in Hessen e.V. mit Sitz in Wiesbaden stellte den Verein vor, der seit mehr als 30 Jahren besteht und eine enge Verbindung mit dem Bund der Vertriebenen hat. Eine friedliche Zukunft sei nach seiner Überzeugung nur möglich, wenn zum erforderlichen Miteinander auch menschliches Verständnis und Toleranz hinzukommt.

Es diskutierten zum Thema Bernhard Gaida, Vizepräsident der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten (AGDM) aus Polen, der Europaabgeordnete und Vertreter der deutschen Minderheit in Südtirol Herbert Dorfmann, Prof. Dr. Rainer Hofmann von der Goethe Universität Frankfurt am Main, Gitte Hougaard-Werner, Vorsitzende des Minderheitenrates der vier autochthonen nationalen Minderheiten und Volksgruppen Deutschlands und Vorsitzende des Sydslesvigsk Forening e.V. (südschleswigscher Verein) sowie Patrik Schwarcz-Kiefer, Mitglied im AdR und Rat des Komitats Baranya, Ungarn.

Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion sitzen auf Stühlen nebeneinander auf der Bühne und schauen lächelnd ins Publikum
Diskutanten: v.l.n.r. Patrik Schwarcz-Kiefer, Herbert Dorfmann, André Frédéric Goebels, Bernhard Gaida, Gitte Hougaard-Werner, Prof. Dr. Rainer Hofmann

Podiumsdiskussion: Mehr Einsatz der EU ist gefragt!

Es ging im Wesentlichen um die Situation der deutschsprachigen Minderheiten in Polen, Ungarn und Italien (Südtirol) sowie der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein. Aktuell mache die Europäische Union beziehungsweise die EU-Kommission fast nichts, um die Situation für deutsche Minderheiten zu verbessern, erklärte Rainer Hofmann, Professor für Völkerrecht an der Universität in Frankfurt am Main. Denn aufgrund der Verträge hätten die Kommission oder die Union eigentlich keine wirklichen Kompetenzen, da aktiv zu werden. Im Laufe der Diskussion stellte sich vor allem heraus, dass sich die Situation der nationalen Minderheiten in Europa nach wie vor sehr unterschiedlich darstellt und die Herausforderungen groß sind. Der Vertreter der deutschen Minderheit in Südtirol Herbert Dorfmann beschrieb die Situation der Deutschen in Südtirol sehr positiv, auch weil in Südtirol die Rechte der deutschsprachigen Minderheit in einem Autonomiestatus festgelegt sind. Ebenso schilderte Gitte Hougaard-Werner die Lage der Dänen in Schleswig und der deutschen Minderheit im Süden Dänemarks positiv. Kritisch waren hingegen die Beiträge von Patrik Schwarcz-Kiefer zur Lage in Ungarn, und Bernhard Gaida, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten aus Polen.

Patrik Schwarcz-Kiefer beschrieb die Situation für die 130.000 Ungarndeutschen als schwierig, da unter anderem die deutsche Sprache bei der jüngeren Generation immer mehr in den Hintergrund getreten sei. Positiv sei dennoch, dass es noch Deutschunterricht an Schulen gebe. Besonders in Polen gebe es Rückschritte, sagte Bernhard Gaida. Er machte dies unter anderem an den Änderungen in der Bildungspolitik in Polen fest: Statt drei Stunden Deutschunterricht für 50.000 deutsche Kinder, sei dieser auf eine Stunde reduziert worden. Im Gegensatz dazu sei die Stundenzahl des Russisch- und Ukrainisch-Unterrichts erhöht worden. Kritisiert wurde von allen Podiumsteilnehmern übergreifend, dass die Europäische Bürgerinitiative „Minority SafePack – one million signatures for diversity in Europe“ zwar zahlreiche Vorschläge zum Schutz nationaler Minderheiten vorgebracht habe, diese jedoch seitens der Europäischen Kommission mit Verweis darauf, dass die bisherigen Maßnahmen ausreichend seien, abgelehnt wurden. Diese Entscheidung wurde jüngst durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs bestätigt. Weiter wurden von den Teilnehmern Möglichkeiten erörtert, wie Kultur und Sprache von Minderheiten in der EU bewahrt werden können. Vorgeschlagen wurde unter anderem, dass die EU den Mitgliedstaaten ein verbindliches Mindestschutz-Niveau vorgibt, das allen nationalen Minderheiten in der EU ein gewisses Maß an Schutz gewähren würde. Moderiert wurde die Veranstaltung von André Frédéric Goebels, Radio Contact – Ostbelgien NOW – by GrenzEcho.

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