Braucht es mehr Bürgerpartizipation in Europa?

Die Forderung nach mehr Bürgerpartizipation nimmt insbesondere seit der Konferenz zur Zukunft Europas an Fahrt auf. Grund genug, um die Frage, ob wir mehr Bürgerpartizipation in Europa brauchen, in den Mittelpunkt einer weiteren Ausgabe von „Europa im Gespräch“ zu stellen: am 26. Juni 2024 Bischof em. Professor Dr. Martin Hein.

Dr. Parinas Parhisi, Referatsleiterin zur Gestaltung der Zukunft der EU bei der Vertretung des Landes Hessen bei der EU, betonte in ihrer Einführung die enorme Bedeutung der Bürgerbeteiligung für die Stärkung der Demokratie und hob hervor, dass diese nicht nur bei Wahlen beginne, sondern auch Petitionen, Bürgerforen und andere Formen umfasse. Als bedeutendes Beispiel für institutionelle Bürgerbeteiligung auf europäischer Ebene nannte sie die Zukunftskonferenz der EU und verwies auf ähnliche Initiativen wie die kürzlich vom Deutschen Bundestag eingeführten Bürgerforen.

Bischof em. Professor Dr. Martin Hein wies in seinem Impulsvortrag darauf hin, dass trotz der Beteiligung von nur etwa 51% der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger bei den Europawahlen diese Wahlen entscheidend seien, da sie nationale Wahlen aggregieren. Professor Hein kritisierte das aktuelle repräsentative System und hob dessen Begrenzungen hervor, wenn es darum geht, bedeutende Entscheidungen innerhalb der komplexen Strukturen der EU direkt zu beeinflussen. Er plädierte dafür, das aktuelle System um deliberative Elemente zu ergänzen, warnte aber auch vor einem vollständigen Übergang zur direkten Demokratie. Professor Hein befürwortete einen Wandel von einer „Kommunikationsstruktur“, die oft negativ wahrgenommen wird, zu einer „Beteiligungsstruktur“, in der Abgeordnete aktiv durch zugängliche Beteiligungsformate mit Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt treten.

In der anschließenden Diskussion mit Katrin Pribyl, EU-Korrespondentin des Korrespondenten-Netzwerks Reportrois, ging Professor Hein auf Bedenken hinsichtlich der Machbarkeit und der Auswirkungen einer verstärkten Bürgerbeteiligung auf EU-Ebene ein. Er erkannte die zeitintensive Natur deliberativer Prozesse an und plädierte für eine themenbezogene Beteiligung, die über Mitgliedstaaten hinweg zur Förderung einer breiten Akzeptanz von Entscheidungen führt. Er schlug die Einrichtung europäischer Fachbeiräte mit robusten Mandaten vor, um die Vertretung zu diversifizieren und sich von traditionellem Lobbyismus abzugrenzen.

Die Veranstaltung endete mit dem Appell, Kommunikationskanäle zu verbessern und bedeutungsvolle Dialoge zu fördern, die nicht nur zuhören, sondern Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, Entscheidungen auf EU-Ebene effektiv zu beeinflussen.

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