Über 150 Gäste verfolgten am 25.01.2024 das Gespräch zwischen den beiden Redakteuren, Dr. Reinhard Müller und Dr. Stephan Klenner, mit Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio, Professor am Institut für Öffentliches Recht der Universität Bonn und Richter des Bundesverfassungsgerichts a. D., zu der Frage „Deutschland – ein Außenseiter in Europa?“. Für Manfred Pentz, Hessischer Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales und Entbürokratisierung, war es die erste Veranstaltung in Brüssel seit dem Amtswechsel.
25. Januar 2024
Podcast „Einspruch“ der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
In seiner Einleitung dankte er seiner Amtsvorgängerin, Lucia Puttrich, und kündigte an, die engagierte Europapolitik Hessens fortzusetzen und weiterzuentwickeln. Hessen werde sich einmischen, für seine Interessen auf allen Ebenen werben und die Anliegen frühzeitig in Brüssel und Straßburg vortragen.
Die Leitfrage des Podcast beantwortete Prof. Di Fabio dann klar: DEU habe bis zum russischen Überfall auf die Ukraine eine oftmals naive Politik betrieben und nationale Interessen nicht hinreichend nüchtern betrachtet. Ein Beispiel sei die Energiepolitik gewesen; hier habe sich die deutsche Politik lange mit großer Überheblichkeit über die Einwände von Verbündeten gegen die deutsche Abhängigkeit vom russischen Gas hinweggesetzt. Auch bei der Migrationspolitik habe DEU lange geglaubt, dass andere europäische Länder folgen, was aber nicht der Fall war.
Den Vorwurf, das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe mit seinen Urteilen zu Verwerfungen in der EU beigetragen, ließ Prof. Di Fabio nicht gelten. Diese Verwerfungen seien politischer und finanzpolitischer Natur; das BVerfG reagiere nur auf diese politische Unausgewogenheit und habe zentrifugale Tendenzen nicht verursacht. Das BVerfG sei vorsichtig und sich der Wirkung von Urteilen bewusst, aber nicht verantwortlich, wenn diese von anderen deformiert werden.
Auch zur aktuellen Diskussion über innere Reformen der EU, insbesondere die Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen, nahm der Staatsrechtslehrer Stellung. Er zeigte sich zurückhaltend: Die Mitgliedstaaten müssten souverän bleiben – gerade im budgetrechtlichen Kernbereich und der Außenpolitik. So sei das BVerfG wohl zögerlich, wenn eine Entscheidung über den Einsatz deutscher Soldaten im Ausland mit Mehrheit gegen DEU entschieden werden könnte, prognostizierte Prof. Di Fabio.