Bereits seit dem Jahr 1995 unterhalten beide Regionen eine Regionalpartnerschaft und so war eines der Themen die anstehenden Feierlichkeiten anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Partnerschaft im nächsten Jahr. Auf politischer Ebene waren sich die beiden Vertreter der Regionen einig: Die Pläne der EU-Kommission, die bisher regional ausgestaltete Förderpolitik künftig nur noch über die nationalen Hauptstädte abzuwickeln, wäre eine Gefahr für die europäische Kohäsionspolitik.
Europa der Regionen mehr als nur ein Slogan
Manfred Pentz sagte dazu: „Hessen ist eine starke Region in Europa und für uns ist das Europa der Regionen mehr als nur ein Slogan. Es ist ein politisches Konzept, welches auf Bürgernähe und föderalen Ideen genauso beruht, wie es die Rolle der Regionen für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der EU anerkennt. Dies gilt nicht nur mit Blick auf das politische Mitgestaltungsrecht durch den Ausschuss der Regionen, sondern ausdrücklich auch bei der praktischen Ausgestaltung der Regionalpolitik. Ausdruck dessen ist es, dass die Gelder für die Regionen auch von den Regionen selbst verwaltet und bewirtschaftet werden. Dies will die EU-Kommission offenbar ändern und stärker zentralisieren. Sollten sich die Pläne der EU-Kommission bestätigen, wonach europäische Fördergelder künftig über die Hauptstädte wie Berlin oder Paris und nicht mehr regional über Wiesbaden oder Bordeaux verwaltet werden, dann würde das das Gesicht der EU massiv verändern. Wir haben bereits bei der Debatte um den NextGenerationEU-Fonds der EU gesehen, dass Berlin europäische Gelder dazu benutzt hat, eigene Haushaltslöcher zu stopfen und darüber lange vorher versprochene Bundesprogramme zu finanzieren. Die Pläne der EU-Kommission wären deshalb nichts anderes als ein Subventionsprogramm für den Bundeshaushalt zu Lasten der Länder.“
Angesichts der Bedrohungen für die Zukunft der europäischen Kohäsionspolitik erinnerte Alain Rousset daran, dass „diese Politik eine greifbare Lösung für zahlreiche Herausforderungen darstellt, denen die europäischen Bürger gegenüberstehen, darunter der Klimawandel, die Ökologiewende, der digitale und demografische Wandel oder das Entwicklungsgefälle innerhalb der EU. Die Kohäsionspolitik verringert die Ungleichheiten innerhalb der EU und fördert ein nachhaltiges langfristiges Wachstum. Sie ist auch eine der sichtbarsten europäischen Politiken in den Regionen. All dies wurde in einem Schreiben an die Präsidentin der Europäischen Kommission, das ich im Mai im Namen von 120 europäischen Regionen aus 15 Mitgliedstaaten – darunter das Land Hessen – unterzeichnet habe, in Erinnerung gerufen.“
Bürgernahe Lösungen vor Ort
Manfred Pentz ergänzte: „Hier geht es nicht um Eitelkeiten der Regionen, sondern darum, wie künftig Radwege, soziale Einrichtungen, die Unterstützung von kleinen und mittelständischen Unternehmen oder auch größere Infrastrukturmaßnahmen vor Ort unterstützt werden. Es gibt schlicht keinen Grund für einen Systemwechsel von regional zu national. Wir brauchen keine weitere bürokratische Ebene in der Förderpolitik, sondern bürgernahe Lösungen vor Ort. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Berlin besser als Wiesbaden weiß, wo in Fulda, Bensheim oder Groß-Zimmern der Schuh drückt. Die Bundesregierung ist deshalb aufgefordert, sich diesen Plänen klar und deutlich entgegenzustellen und sich zu den Prinzipien der Subsidiarität, des Föderalismus und eines Europas der Regionen zu bekennen.“
Hintergrund EU Fördermittel in geteilter Mittelverwaltung:
Hessen profitiert in erheblichem Maße von Förderungen aus EU-Mitteln. Bei EU-Fördergeldern wird grundsätzlich zwischen den Struktur- und Investitionsfonds einerseits und den von der EU-Kommission direkt verwalteten Förderprogrammen unterschieden.
Zu den für Hessen relevanten Fonds zählen der Europäische Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE), der Europäische Sozialfonds Plus (ESF+).
EFRE
Der EFRE ist in der aktuellen Förderperiode auf zwei politische Ziele der Europäischen Union ausgerichtet: Ein „wettbewerbsfähigeres und intelligenteres Europa“ und ein „grüneres Europa“. Im Rahmen dessen werden beispielsweise Projekte zur nachhaltigen Steigerung der Wachstums- und Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittelständischen Unternehmen, zur Förderung von Energieeffizienz oder zur Entwicklung von Forschungs- und Innovationskapazitäten unterstützt.
ESF+
Der ESF+ ist das wichtigste Instrument der EU zur Förderung von Beschäftigung und sozialer Eingliederung. In Hessen verfolgt der ESF+ mit seinen Programmen insbesondere zwei Ziele: den gleichberechtigten Zugang zu allgemeiner und beruflicher Bildung sowie aktive Inklusion und Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit.
ELER und EGFL
Die Landwirtschaft und der Ländliche Raum in Hessen erhalten hauptsächlich Fördergelder aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL). Zusammen stellen diese beiden Fonds die zwei Säulen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) dar. Die mit dem ELER-Fonds in Hessen angestrebten Ziele, Maßnahmen und geplanten Ausgaben sind für die Jahre 2023-2027 im GAP-Strategieplan festgelegt.
Für die EU-Struktur- und Investitionsfonds erhält Hessen in der aktuellen Förderperiode 2021-2027 einen Betrag von ca. 774.340.500 €, der sich wie folgt aufteilt:
- Europäischer Fonds für die regionale Entwicklung (EFRE): ca. 248.704.700 €
- Europäischer Sozialfonds Plus (ESF+) ca. 169.152.500 €
- Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER): 356.483.300 € für Maßnahmen der Landwirtschaft und das ländlichen Raums (u.a. einzelbetriebliche Investitionsförderung, Ökologischer Landbau, Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete, Dorf- und Regionalentwicklung, Innovation und Zusammenarbeit)
Die EU-Mittel stehen mit unterschiedlichen Beteiligungssätzen in den jeweiligen Programmen zur Verfügung und müssen mit weiteren Mitteln (nationale Mittel oder Landesmittel) kofinanziert werden.
Darüber hinaus erhält die hessische Landwirtschaft im aktuellen Jahr 2024 rund 250 Mio. Euro aus dem EGFL, vor allem in Form der sog. Direktzahlungen. Für die 5-jährige Förderperiode 2023-2027 wird der zu erwartende Gesamtbetrag auf rd. 1,2 Mrd. Euro geschätzt.