Hessens Europaminister Manfred Pentz zog nach seiner Rückkehr aus Montenegro und Bosnien-Herzegowina eine positive Bilanz seiner Reise. Beide gehören zu den Ländern des Westbalkans, die in die EU streben.
Wichtige Funktion im Beitrittsverfahren
Zum Hintergrund seiner Reise erklärte Manfred Pentz: „Für mich waren zwei Dinge von Bedeutung: Erstens wollten wir ein starkes Signal der Unterstützung in die ganze Region senden. Wir haben als Bundesländer eine wichtige Funktion im Beitrittsverfahren. Diese besteht nicht nur darin, irgendwann am Ende des Prozesses über die Aufnahme dieser Länder zur EU zu entscheiden, sondern wir haben auch eine Verantwortung dafür, den gesamten Beitrittsprozess positiv zu begleiten. Zweitens war es mir genau deshalb wichtig, mir ein eigenes Bild vor Ort zu machen. Nicht nur von den Dingen, die üblicherweise im politischen Diskurs gezeigt werden, sondern ich bin dahin gegangen, wo die Menschen sind, wo die schwierigen Fragen noch nicht gelöst sind und wo wir einen neuen europäischen Geist der Zusammenarbeit beginnen können.“
Montenegro
In Montenegro traf Manfred Pentz u.a. mit der Ministerin für Europaangelegenheiten, Maida Gorčević, sowie mit dem Minister für Tourismus und Umwelt, Vladimir Martinović sowie dem Staatssekretär für Wirtschaft, zusammen. In den Gesprächen ging es insbesondere um den Stand der seit 2012 andauernden Beitrittsgespräche und die Frage, wie man die offenen Punkte möglichst schnell umsetzen könne. Der Europaminister sagte dabei die Unterstützung Hessens zu: „Die Beitrittsverhandlungen mit Montenegro sind überwiegend abgeschlossen und schon das ist eine große Leistung für das kleine Land. Im Bereich der Umweltpolitik, im Kapitel 27, bestehen allerdings noch Umsetzungsbedarfe. Wir haben in unserem christlich-sozialen Koalitionsvertrag nicht nur vereinbart, dass wir konkrete Unterstützung bei den Beitrittsverfahren anbieten wollen, wir Hessen haben auch eine große Expertise im Bereich Wasser und Abwasser, Umwelttechnologien und der Umweltgesetzgebung. Ich habe deshalb zugesagt, dass wir prüfen, ob und wie wir ganz konkrete Beitrittshilfe leisten können. Montenegro, da bin ich mir sicher, steht bereits mit einem Fuß auf der Türschwelle zur EU. Wir werden jetzt die Hand reichen und alles daransetzen, dass die Türschwelle mit unserer Hilfe auch überschritten wird.“
Bosnien-Herzegowina
In Bosnien-Herzegowina ist die Aufnahme von konkreten EU-Beitrittsverhandlungen erst in diesem Frühjahr beschlossen worden. In dem Land laufen derzeit die Vorbereitungen auf diese intensiven und herausfordernden Verhandlungen. Europaminister Manfred Pentz nutzte deshalb seinen Arbeitsbesuch dazu, mit möglichsten vielen Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ins Gespräch zu kommen. Deshalb blieb er nicht in der Hauptstadt Sarajevo, sondern reiste auch nach Mostar und Banja Luka. Dazu erläuterte der Minister: „Es war mir wichtig, allen Gesprächspartnern zunächst einmal für die große Anstrengung zu danken. Dass jetzt Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden können, war ein langer und steiniger Weg, der nun mit einem wichtigen Meilenstein belohnt wurde. Mir war es aber auch wichtig, auf Tuchfühlung mit ganz vielen unterschiedlichen Vertreterinnen und Vertretern aus Bosnien-Herzegowina zu gehen. Die Beitrittsverhandlungen sind nicht nur ein technisches Regelwerk, was man irgendwie in Übereinstimmung bringen muss. Die EU ist auch eine Wertegemeinschaft. Deshalb geht es darum, sich besser kennen und verstehen zu lernen. Ich habe mich daher mit Bürgermeistern, religiösen Vertretern, zivilgesellschaftlichen Gruppen ebenso getroffen, wie mit dem stellvertretenen Außenminister Josip Brkić und dem Hohen Repräsentanten für Bosnien-Herzegowina Christian Schmidt. Das Bild über das Land, welches ich mit nach Hessen bringe, ist deshalb vielfältig. Es überwiegt eine große Hoffnung, dass sich die Dinge mit der weiteren Annäherung an die EU zum Besseren wenden. Sowohl im wirtschaftlichen, aber auch im politischen Bereich. Denn Bosnien-Herzegowina hat nach wie vor erhebliche Konflikte zwischen den drei ethnischen Gruppen. Es ist aber auch ein Bild großer Chancen. In Bosnien-Herzegowina kann man die Potenziale der europäischen Zusammenarbeit mit den Händen greifen. Da steht eine gut ausgebildete, junge, dynamische und innovative Gesellschaft zur Zusammenarbeit bereit und wir als EU haben die einmalige Chance auf einen Lückenschluss der europäischen Friedensidee von Slowenien bis nach Griechenland.“
In Banja Luka in der Republik Srpska traf Manfred Pentz auch mit dem umstrittenen Präsidenten Milorad Dodik zusammen. „Mir war es wichtig, ein Gesprächsangebot in alle Richtungen auszusenden. Die Republik Srpska ist Teil der Beitrittsverhandlungen. Es macht keinen Sinn, diesen Fakt einfach auszuklammern und darauf zu hoffen, dass es sich von alleine löst. Insbesondere Deutschland kann hier sehr viel tun. Sowohl in der Republik Srpska als auch in Serbien gibt es bereits viele deutsche Unternehmen, die sich engagieren. Sie schaffen Arbeitsplätze und sorgen schon aufgrund des regen Handels mit dem europäischen Binnenmarkt dafür, dass sich die wirtschaftliche Zukunft der ganzen Region in Richtung EU bewegt. Diese Karte sollten wir im Beitrittsprozess ausspielen“, sagte der Minister und ergänzte: „Ich habe den vielfach geäußerten Frust meiner Gesprächspartner über das Dayton-Abkommen und den dadurch zuerkannten starken Befugnissen für den Hohen Repräsentanten zur Kenntnis genommen. Der einfachste Weg, diesen Zustand zu beenden, ist aus meiner Sicht, die Beitrittsverhandlungen konstruktiv und mit ehrlichem Elan zu unterstützen. Denn spätestens wenn das Land der EU beitritt, ist Dayton Geschichte.“
Abschließend betonte der Europaminister auch die Chancen Hessens im Beitrittsprozess: „In Deutschland leben über 200.000 Staatsangehörige Bosnien und Herzegowinas, ca. 25.000 von ihnen in Hessen. Damit war Deutschland das Land in der EU, welches mit Abstand die meisten Kriegsflüchtlinge aus Bosnien aufnahm. Das bedeutet, dass es sehr viele menschliche Verbindungen und kulturelle Anknüpfungspunkte zwischen unseren Ländern gibt. Viele der einstigen Flüchtlinge sind heute in unserer Gesellschaft integriert, sind unsere Nachbarn, Freunde oder Sportkameraden. Diese Reise war deshalb auch ein Signal an die Menschen aus der Region, die in Hessen leben. Die aktuelle Beitrittsdynamik ist eine einmalige Chance für ein Zusammenleben in einem geeinten und friedlichen Europa. Einem Europa, das ohne Grenzen auskommt, eine gemeinsame Währung nutzt und die gleichen Werte teilt. Es ist aber auch eine Chance für hessische Unternehmen, sich in der wirtschaftlichen Aufbauarbeit in der Region zu engagieren: durch Infrastruktur, Flughäfen, Baudienstleistungen oder Finanzwirtschaft. In den Beitrittsländern stecken noch unerschlossene wirtschaftliche Potenziale und ein Engagement noch im Beitrittsstadium schafft gute Voraussetzungen, aus dem Beitritt auch eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte für beide Seiten zu machen.“
Hintergrund:
Europaminister Manfred Pentz war am 23. und 24. Juni 2024 in Montenegro. Damit besuchte erstmals ein hessischer Minister das Land. Mit 620.000 Einwohnern gehört Montenegro zu den kleinsten Beitrittsländern. Rund 3.000 montenegrinische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger leben in Hessen. Bereits im Jahr 2008 beantragte das Land eine EU-Mitgliedschaft. Vor zwölf Jahren, im Jahr 2012, wurden bereits die Beitrittsverhandlungen eröffnet. Seit 2017 ist das Land Mitglied der NATO. Vor Ort traf der Minister mit Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft, mit Unternehmen aus Deutschland sowie mit verschiedenen politischen Vertreterinnen und Vertretern zusammen, darunter dem Minister für Tourismus, Umwelt und nachhaltige Entwicklung, Vladimir Martinović, mit der Ministerin für europäische Integration, Maida Gorčević, dem Staatssekretär für Wirtschaft sowie Mitgliedern des EU-Ausschusses des Parlaments.
Vom 24. bis 28. Juni 2024 war der Europaminister dann in Bosnien-Herzegowina. Seit dem Ende des Krieges besteht das Land aus zwei autonomen Teilen, der Republik Srpska und der Föderation Bosnien-Herzegowina. Seit Jahren befindet sich das Land im EU-Annäherungsprozess. Im Jahr 2016 wurde ein offizieller Beitrittsantrag zur EU gestellt. Im Dezember 2022 wurde dem Land der Status eines EU-Beitrittskandidaten zuerkannt. Im März 2024 gab es dann die Entscheidung, offiziell die EU-Beitrittsverhandlungen zu eröffnen.
Während seines Aufenthaltes traf Manfred Pentz mit dem Hohen Repräsentanten für Bosnien-Herzegowina, Christian Schmidt, dem stellvertretenden Außenminister, Josip Brkić, den Sprecher des House of People (Parlament) Dr. Dragan Čović sowie mit den Bürgermeistern von Mostar, Mario Kordić, und Ljubuški, Vedran Markotić, zusammen. Auf dem Programm standen weiterhin Treffen mit hohen Beamten im Bereich der EU-Integration sowie mit Vertreterinnen und Vertretern von Hochschulen, der Zivilgesellschaft, religiösen Würdenträgern und Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft.
Das Abkommen von Dayton:
Nach dem Tod und der Flucht Hunderttausender und dem Völkermord von Srebrenica griff die internationale Gemeinschaft ein. Im Jahr 1995 vermittelten die USA das Abkommen von Dayton. In Abstimmung mit der internationalen Gemeinschaft unternahmen die USA ab dem 1. November 1995 den Versuch, die drei ultranationalistischen Kriegsherren an den Verhandlungstisch zu zwingen – den serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic, den kroatischen Staatspräsidenten Franjo Tudjman und den Vorsitzenden im Präsidium von Bosnien-Herzegowina, Alija Izetbegovic. Unter strengen Klausurbedingungen sollten sie dem mörderischen, seit dreieinhalb Jahren andauernden Krieg in Bosnien-Herzegowina ein Ende bereiten. Als neutralen abgelegenen Ort wählte man die Wright-Patterson Air Force Base bei Dayton. Verhandlungsführer des Präsidenten Bill Clinton war der anerkannte US-Diplomat Richard Holbrooke.
Im Ergebnis mussten die Serben einen geringen Teil ihrer eroberten Gebiete wieder abgeben. Im Rahmen des neuen konföderierten Staatsgebildes Bosnien-Herzegowina behielt die bosnisch-serbische Republik Srpska 49 Prozent des Territoriums unter ihrer Kontrolle, während 51 Prozent des Landes den Kroaten und Bosniaken zugestanden wurden. Der Vertrag wurde am 21. November 1995 in Dayton paraphiert und am 14. Dezember 1995 in Paris unterzeichnet. Der Hohe Repräsentant für Bosnien-Herzegowina überwacht seit 1995 die durch die Resolution 1031 des UN-Sicherheitsrates abgesicherte Umsetzung der zivilen Aspekte des Dayton-Abkommens.