Hessens Europaministerin Lucia Puttrich kehrte gestern von einer dreitägigen Delegationsreise nach Nordmazedonien zurück. Begleitet wurde sie von Abgeordneten des Hessischen Landtages. Seit dem Jahr 2005 ist Nordmazedonien offizieller EU-Beitrittskandidat und seit 2020 Mitglied der NATO. Der konkreten Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit EU steht derzeit noch ein Streit mit dem Nachbarn Bulgarien im Wege. Das Ziel der Delegationsreise war deshalb, sich über die aktuelle politische Lage im Land zu informieren. Darüber hinaus gibt es lebendige Städtepartnerschaften zwischen Hessen und Nordmazedonien. Die Delegation besuchte deshalb auch die Partnerstadt von Groß-Zimmern in Nordmazedonien, Kriva Palanka.
Hessen bietet konkrete Unterstützung in den Beitrittsverhandlungen an
„In Nordmazedonien haben wir unheimlich engagierte Politikerinnen und Politiker getroffen, die sich ohne Wenn und Aber als Teil der europäischen Familie verstehen. Trotz der schwierigen Ausgangsposition des Landes als früherer Teil von Jugoslawien und der langwierigen politischen Auseinandersetzungen mit Griechenland und aktuell mit Bulgarien sieht das Land seine Chance in der EU. Deutschland gehört zu den wichtigsten Unterstützern des Beitrittsprozesses. Diesen Prozess will auch Hessen aktiv begleiten. Wir haben deshalb angeboten, während der Beitrittsverhandlungen mit der EU konkrete Unterstützung zu leisten“, erläuterte Lucia Puttrich heute in Wiesbaden.
Während ihrer Reise traf die Delegation mit Außenminister Bujar Osmani, dem Vize-Ministerpräsidenten für europäische Fragen Bojan Marichikj, dem Oppositionsführer Hristijan Mickoski, Abgeordneten des Europaausschusses des Parlaments und weiteren Abgeordneten sowie mit dem Bürgermeister von Kriva Palanka, Sashko Mitovski, zusammen.
In den Gesprächen kam zum Ausdruck, dass die konkrete Aufnahme von Beitrittsverhandlungen nicht weiter von Bedingungen abhängig gemacht werden darf, die teilweise die Identität des Landes in Frage stellen. Dabei ging es insbesondere um das seit 2020 andauernde bulgarische Veto zum EU-Beitritt. Bulgarien listet dabei unter anderem historische Ungerechtigkeiten aus den 30er- und 40er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts auf und besteht darauf, die mazedonische Sprache nicht als eigenständige Sprache anzuerkennen. Die Ankündigung der Regierung, diesen Forderungen nachzukommen, hatte zwar den Weg zur Aufnahme konkreter Verhandlungen mit der EU freigemacht, allerdings auch große Proteste im Land ausgelöst.
Nordmazedonien als Bereicherung für die EU
„Die Unsicherheit, ob nach der angekündigten Verfassungsänderung erneut Forderungen kommen, die die Aufnahme von konkreten Beitrittsverhandlungen erneut verzögern könnten, ist in Nordmazedonien sehr groß. Es ist auch eine unrühmliche Geschichte, wie einzelne Mitgliedstaaten ihre politischen Interessen zu Lasten ihrer Nachbarn und der Gesamtinteressen der EU ausspielen. Wenn Länder wie Nordmazedonien, aber auch andere Länder des Westbalkan, teils Jahrzehnte auf eine konkrete Beitrittsperspektive warten müssen, hat das nicht nur Auswirkungen auf die Zustimmungswerte der Bevölkerung zum EU-Beitritt, sondern auch auf viele andere Bereiche. Junge Menschen sehen keine Perspektiven mehr in der Heimat, Investitionen werden zurückgestellt und Infrastrukturprojekte können nicht umgesetzt werden. All dies schafft die Voraussetzungen dafür, dass Länder wie Russland mit verhältnismäßig geringem Aufwand Stimmung gegen die Demokratie, die EU und gegen Rechtsstaatlichkeit beitreiben können. Hier gilt es deshalb auch von Seiten der EU-Kommission Einfluss auf die Blockadehaltung zu nehmen und endlich europäische Perspektiven im Land zu schaffen. Denn eines steht fest: Nordmazedonien wäre eine Bereicherung für die EU“, sagte Lucia Puttrich weiter.
Hintergrund:
Die Abgeordneten des Hessischen Landtages Sabine Waschke (SPD), Oliver Stirböck (FDP), Manfred Pentz (CDU) sowie Erich Heidkamp (AfD) begleiteten die Europaministerin. Am 22. April 2021 verabschiedete der Hessische Landtag mit großer Mehrheit den interfraktionellen Antrag (Drs. 20/5542) „Hessen unterstützt die Beitrittsverhandlungen der EU mit Albanien und Nordmazedonien“.