Georgien hat im letzten Jahr, nur wenige Tage nach dem brutalen Überfall Russlands auf die Ukraine, einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union gestellt. Ende dieses Jahres steht in Brüssel die Entscheidung über den offiziellen Kandidatenstatus des Landes an. Die Reise der Europaministerin diente zum einen dazu, sich über den Stand der Annäherung an die EU zu informieren. Zum anderen sollte aber auch ein deutliches Zeichen der Unterstützung Georgiens auf seinem Weg in die EU gesetzt werden.
„In Georgien gibt es eine enorm große Zustimmung zur EU und zur NATO. Die Menschen wollen Teil der europäischen und transatlantischen Wertegemeinschaft sein. Das spürt man in den Gesprächen, aber das sieht man auch auf den Straßen, in den Schulen oder Universitäten. Das liegt nicht allein an der jüngeren Geschichte des Landes, sondern mit Georgien verbindet uns eine jahrhundertelange gemeinsame Geschichte und Tradition“, sagte Lucia Puttrich.
Reformempfehlungen in die Praxis umsetzen
„Ende des Jahres steht die Entscheidung an, ob Georgien den offiziellen Kandidatenstatus erhält. Notwendig dafür ist eine einstimmige Entscheidung im Europäischen Rat. Vor etwa einem Jahr hat die Europäische Kommission dem Land zwölf Reformempfehlungen gegeben, um die notwendigen Voraussetzungen für diese Entscheidung zu schaffen. Dazu gehört die Umsetzung einer Justizreform, die Stärkung der unabhängigen Korruptionsbekämpfungsbehörde und die Bekämpfung organisierter Kriminalität. In meinen Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern des Parlaments und der Regierung habe ich den Eindruck gewonnen, dass diese zwölf Punkte sehr ernst genommen werden und ein großer Teil bereits durch das Parlament beschlossen wurde. Es wird jetzt darum gehen, wie engagiert diese Reformen in der Praxis umgesetzt werden können“, fuhr die Europaministerin fort.
Während ihres Besuches traf Europaministerin Lucia Puttrich u.a. den stellvertretenden Außenminister, Herrn Lasha Darsalia, den stellvertretenden Minister für Wirtschaft und nachhaltige Entwicklung, Herrn Genadi Arveladze, die Vorsitzende des Ausschusses für europäische Integration im Parlament von Georgien, Frau Maka Bochorishvili, sowie Vertreterinnen und Vertreter der Deutsch-Georgischen Parlamentariergruppe des georgischen Parlaments.
Besuch der European Union Monitoring Mission (EUMM)
Am Freitag war die Ministerin in Gori und besuchte die European Union Monitoring Mission (EUMM). Dies ist eine unbewaffnete Beobachterstelle mit über 200 Beobachtern aus den EU-Mitgliedstaaten an der Grenze zu Südossetien. An der EUMM sind derzeit auch zwei hessische Polizeibeamte beteiligt, die die Europaministerin ebenfalls traf.
Nach ihrem Besuch an der Grenze zum russisch kontrollierten Gebiet zeigte sich die Europaministerin betroffen: „Man kann über die Besetzung von rund 20 Prozent des Staatsgebiets Georgiens lesen. Wenn man aber selbst sieht, wie die russischen Militärs Stacheldraht quer durch Dörfer gezogen haben, wie Menschen von ihren Familien getrennt und wie sie von ihren Feldern und Einkommen abgeschnitten wurden, dann bekommt man ein Gefühl dafür, was es bedeutet, wenn einem Freiheit und Souveränität brutal genommen werden. Vieles an dieser Situation erinnert einen an die deutsch-deutsche Teilung. Auch diese fing mit Reiseschikanen an und erst später wurde die Grenze Stück für Stück befestigt. Das europäische Engagement der EUMM, der Einsatz europäischer und auch hessischer Polizeibeamter, die tagtäglich den Verlauf der Grenzlinie beobachten und so ein Stück Sicherheit gewährleisten, ist deshalb ein ganz wichtiger Beitrag der EU für die Menschen vor Ort“, betonte Lucia Puttrich.
„Sache der Georgierinnen und Georgier, über den Weg ihres Landes zu bestimmen.“
„Georgien ist auf der europäischen Agenda und hat eine starke europäische Perspektive. Doch es ist in erster Linie Sache der Georgierinnen und Georgier, über den Weg ihres Landes zu bestimmen. Die großen Demonstrationen mit mehreren Zehntausend Teilnehmerinnen und Teilnehmern im März dieses Jahres haben gezeigt, dass es auf der einen Seite eine große Unterstützung für den europäischen Weg Georgiens gibt, auf der anderen Seite aber auch eine große Skepsis gegenüber der Regierung vorhanden ist. Ich kann mir nur wünschen, dass diese politischen Widersprüche den Weg nach Europa nicht gefährden. Denn Georgien gehört in die EU“, bilanzierte Lucia Puttrich abschließend.