„Wenn wir am Montag an die Opfer der barbarischen Massaker der Terrororganisation Hamas im Süden Israels vom 7. Oktober 2023 erinnern, dann verbindet sich damit die unverbrüchliche Solidarität mit Israel und seinen Menschen, wie mit jüdischem Leben weltweit. Denn der 7. Oktober war nicht bloß ein weiterer Tag im Nahost-Konflikt, sondern stellt eine Zäsur der Vernichtung jüdischen Lebens dar, die den Ungeist des Holocaust in die Gegenwart geführt hat.
Und bis heute haben viele die Dimension des 7. Oktober nicht verstanden. Es war der größte Massenmord an Jüdinnen und Juden seit der Shoah. Familien wurden barbarisch abgeschlachtet, Kinder, Frauen und Männer vor den Augen ihrer Angehörigen misshandelt und ermordet, Mädchen und Frauen brutal vergewaltigt, Menschen wurden in den Gaza-Streifen verschleppt, viele werden bis heute dort gefangen gehalten.
Dies war ein genozidales Infernal, das von der vollständigen Auslöschung jüdischen Lebens getrieben war, so wie es die Hamas in ihrer Charta 1988 bereits formuliert hat. Die schrecklichen Aufnahmen dieser feigen Verbrechen wurden bewusst über soziale Medien gestreamt und haben sich für Generationen in das Gedächtnis der israelischen Gesellschaft, ja in die Köpfe von Jüdinnen und Juden, weltweit eingebrannt. Die Traumata von Holocaust-Überlebenden wurden mit neuen Bildern in die Gegenwart geführt und deren Enkelgeneration musste erleben, anhören und sehen, wie sich Jüdinnen und Juden vor der eigenen Ermordung verstecken mussten, nicht in Geschichten und Büchern über Nazi-Deutschland, sondern in Bildern, Gesprächen und letzten selbst geführten Telefonaten im eigenen Land. Über die Geiseln hinaus wurde ein ganzes Land in Geiselhaft genommen, in einen 7. Oktober hinein, der für viele bis heute nicht zu Ende ist.
Wenn Israel über die religiöse Stellung heiliger Stätten hinaus eine verbindende Bedeutung für jüdisches Leben in der Welt besitzt, dann jene als sicherer Hafen nach Jahrhunderten der Verfolgung und Entrechtung, nach Pogromen und Vernichtung in so vielen Teilen der Welt und besonders nach dem industriell organisierten Massenmord an 6 Millionen europäischen Juden. Diese Schutzfunktion Israels hat am 7. Oktober Schaden genommen, ein Schmerz, der ebenso anhält.
Und ein weiterer Schmerz hält seit dem 7. Oktober ebenso an. Jener, über die mangelnde Solidarität der Weltgemeinschaft, der Gesellschaft mit Israel wie mit jüdischem Leben überhaupt. Das laute Schweigen so vieler Institutionen und Personen und gleichzeitig das nahezu ungebremste Anschwellen von Judenhass und Israelfeindlichkeit.
Die fehlende Empathie für jüdisches Leben und für Israel wirkt wie ein zusätzlicher Tritt gegen die so gequälten Körper der Opfer des 7. Oktober. Die Gesellschaft hat gegenüber ihren jüdischen Nachbarn, wie auch gegenüber Israel, bis heute versagt.
Zudem schaut die Welt weitestgehend teilnahmslos zu, wie aus Wellen des Antisemitismus ein wahrer Tsunami des Judenhasses, gerade des israelbezogenen Antisemitismus, geworden ist. Dort wo der israelbezogene Antisemitismus schon zuvor salonfähig geworden war, in Wissenschaft, Kultur und Kunst, werden öffentliche Sympathiebekundung eher gegenüber Palästinensern als gegenüber Israel formuliert. Gleichzeitig werden Juden bedroht, angegriffen und haben Angst. Auch hier bei uns in Deutschland.
Wir sollten diesen Jahrestag nicht alleine als Gedenken und Rückblick, sondern als Auftrag für unser aller Handeln, begreifen. Wenn wir uns nicht für jüdisches Leben bei uns in Hessen, Deutschland und Europa einsetzen, wird sich das Zeitfenster für Jüdisches Leben in Europa schließen. Und wenn wir aus unserer deutschen Staatsräson heraus nicht noch deutlicher die Erwartung formulieren, dass hierzu eine entschlossene Haltung für die Sicherheit Israels in unserer Gesellschaft erwachsen und vermittelt werden muss, wird Israelfeindlichkeit weiter ansteigen“, so der Beauftragte der Hessischen Landesregierung für Jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus Uwe Becker heute.