Heiko Willems, Geschäftsführer, BDI/BDA The German Business Representation, erklärte, das Thema Wettbewerbsfähigkeit sei seit langer Zeit für die Veranstaltung geplant gewesen, habe nun aber angesichts der aktuellen Diskussion über den US-amerikanischen Inflation Reduction Act (IRA) eine besondere Aktualität erlangt. Der IRA bildete sodann auch den Hintergrund für das anschließend von Jacki Davis moderierte Gespräch von Siegfried Russwurm und Kerstin Jorna. Beide Gesprächspartner waren sich einig, dass Europa vor tiefgreifenden Veränderungen stehe und Putins Aggressionskrieg gegen die Ukraine eine Zeitenwende darstelle. Putin habe mit seinem Krieg das Vertrauen in die globale Zusammenarbeit zerstört, meinte der BDI-Präsident. Kerstin Jorna sprach von „tektonischen Verschiebungen“. Dazu zähle nicht nur der Klimawandel, sondern auch Herausforderungen hinsichtlich physischer Sicherheit, der demographische Wandel und Bedrohungen der Demokratie. Es sei entscheidend, diese Änderungen zu gestalten, und nicht von ihnen getrieben zu werden. Dafür brauche man etwas Großes – einen „Elefanten“. Und dieser Elefant sei der Binnenmarkt.
08. März 2023
BDI EU Industry Talk: Europa am Scheideweg – Wie steigern wir unsere Wettbewerbsfähigkeit?
Diskussion zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit in der EU
Siegfried Russwurm sah im IRA durchaus positive Aspekte; so könnten Unternehmen sehr klar erkennen, welche Vorteile sich ihnen aus den Vorgaben ergäben. Daraus könne Europa durchaus lernen. Mancher bereue jetzt vielleicht, dass es nicht zu einem Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA gekommen ist, führte er weiter aus. Er betonte dabei, die Wirtschaftskraft sei Europas Stärke, sie stelle sicher, dass man auf globaler Bühne mitspielen könne. Nichts zu vergessen sei, dass letztlich der „Schiedsrichter“ der globale Kunde sei – auch die Abnehmer in Brasilien oder Asien müssten europäische Produkte kaufen wollen. Der Preis der Produkte müsse auch für diese Kunden annehmbar sein. Kerstin Jorna kritisierte die Debatte über den IRA. Man fordere derzeit, die Europäische Union (EU) müsse darauf reagieren und vergesse dabei, dass die EU schon vorher sehr viel getan habe. Wichtig sei, den „Business case“ zu sehen. So brauche man beispielsweise zur Produktion von Gütern Grundstücke und Gebäude. Die Genehmigungsverfahren in der EU seien aber sehr komplex und oft auf verschiedenen Ebenen angesiedelt. Hier müsse man ansetzen, und das sei der Grundtenor der Vorschläge der EU-Kommission. Auch brauche Europa mehr erneuerbare Energie, um neue Abhängigkeiten zu verhindern und die Energiepreise zu senken. Auch der Zugang zu Finanzierungen und die grenzüberschreitende Mobilität von Arbeitskräften müssten verbessert werden. In diesem Sinne argumentierte auch der BDI-Präsident, der darauf hinwies, dass es gerade für kleine und mittlere Unternehmen angesichts der Komplexität schwierig sei zu erkennen, welche EU-Programme für sie nutzbar sind. Abschließend diskutierten die Gesprächspartner über die strategische Autonomie der EU. Sie waren sich einig, dass hierfür langfristige Partnerschaften mit anderen Staaten notwendig sind, zum Beispiel zur Sicherstellung der Rohstoffversorgung. Auch der demographische Wandel und die Fachkräftegewinnung sind aus beider Sicht eine große Herausforderung für Europa. Kerstin Jorna sprach sich für einen Dialog zwischen Unternehmen und Arbeitskräften aus, um zu erarbeiten, welche Fähigkeiten gebraucht werden. Russwurm befürwortet eine gezielte Einwanderung und warb dafür, dass die Menschen die Arbeit wieder stärker als wertvollen Teil der Lebenszeit wahrnehmen. EU-Journalistin Jacki Davis hat die Veranstaltung moderiert.