Crisis Talks: Krisenzeiten, radikale Zeiten? – Neue Formen der Radikalisierung

Die liberalen Gesellschaften in Europa stehen seit geraumer Zeit unter dem Druck, mit neuen Protest- und Radikalisierungsformen umgehen zu müssen. Wie bedrohlich sind diese Entwicklungen für Gesellschaft und Demokratie, und welche Ansätze gibt es, um diesen Herausforderungen zu begegnen?

Mit diesen Fragen beschäftigte sich die Veranstaltung „Krisenzeiten, radikale Zeiten? – Neue Formen der Radikalisierung“ in der Reihe Crisis Talks am 19.09.2023 in der Hessischen Landesvertretung in Brüssel, zu der die Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten Lucia Puttrich gemeinsam mit dem Leibniz-Forschungsnetzwerk „Umweltkrisen – Krisenumwelten“ sowie dem Forschungszentrum „Normative Ordnungen – Goethe Universität Frankfurt“ eingeladen hatte. Europaministerin Puttrich eröffnete die Veranstaltung mit der Feststellung, dass Terrorismus, Radikalisierung und Extremismus Themen seien, die die Gesellschaft weiterhin bedrohten. Sie plädierte für einen engen Austausch zwischen Praxis, Wissenschaft und Forschung sowie eine enge Zusammenarbeit zwischen Staat und Gesellschaft. Ein gutes Beispiel hierfür sei die landesweit einzigartige Forschungsstelle zu „Extremismusresilienz und Prävention“ an der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit in Mühlheim am Main.

Leiter der Forschungsstelle „Extremismusresilienz“ an dieser Hochschule, Prof. Dr. Julian Junk
Leiter der Forschungsstelle „Extremismusresilienz“ an dieser Hochschule, Prof. Dr. Julian Junk

Der Leiter der Forschungsstelle „Extremismusresilienz“ an dieser Hochschule, Prof. Dr. Julian Junk, PRIF Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, hob in seiner Begrüßung hervor, dass extremistische Phänomene vielgestaltig und wandelbar seien und sich immer wieder neu bilden können - so wie auch die Wege in den Extremismus. Schon immer, aber durch die Möglichkeiten des Internets verstärkt, seien extremistische Phänomene transnational gewesen, d.h. selbst bei scheinbar rein inlandsbezogenem Extremismus gäbe es wichtige Verbindungen nach „außen“. Radikalisierungsphänomene hängen auch mit inhärent transnationalen Herausforderungen zusammen wie Migrationsbewegungen, Klimafolgen, wirtschaftlichen Krisen und neuen Möglichkeiten der Informationssteuerung.

Panel im Crisis Talk und das Publikum
Panel mit Publikum

Prof. Dr. Andreas Zick, Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) / Universität Bielefeld nannte mit Blick auf Aspekte, die Radikalisierung befördern: Es sei an so genannte (a) Personenfaktoren, wie psychologische Motive, (b) soziale Faktoren, wie zum Beispiel Bindungen an Gruppen oder Diskriminierungserfahrungen, (c) an Kontextfaktoren, wie Armut und Ungleichheit zu denken, aber auch aktuell an die Frage, (d) ob und wie Räume Radikalisierungen befördern. Dr. Christiane Höhn, Chefberaterin des EU-Koordinators für die Terrorismusbekämpfung im Rat der EU, beleuchtete in der anschließenden Podiumsdiskussion, was Gesetzgebung wie die Terrorist Content Online Regulation gegen Radikalisierung bewirken könne, und dass Online-Radikalisierung einer der wichtigsten Bereiche heutzutage sei. Prof. Dr. Corinne Torrekens, Leiterin der Forschungsgruppe für ethnische Beziehungen, Migration und Gleichstellung (GERME) an der Freien Universität Brüssel / EU MSCA Doctoral Network VORTEX, antwortete auf die Frage, welche Erkenntnisse sie über Radikalisierung aus ihrer Arbeit mit Straftätern in Gefängnissen gewonnen habe, dass die Gefangenen großes Misstrauen in Institutionen wie auch zur Polizei hätten. Dr. Thomas Gutschker, Frankfurter Allgemeine Zeitung in Brüssel, moderierte die Veranstaltung. Die Veranstaltung wurde hybrid durchgeführt

Gruppenfoto vom Panel. Insgesamt lächeln 6 Personen in die Kamera und stehen nebeneinander
Gruppenfoto Panel

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