Realitätscheck für die EU-Handelspolitik – Pragmatismus oder hehre Ziele?

Mehr wirtschaftliche Sicherheit statt Nachhaltigkeit - für diesen Paradigmenwechsel in der europäischen Handelspolitik sprach sich Michael Hager, Kabinettschef von Exekutivvizepräsident Valdis Dombrowskis, in „Europa im Gespräch“ am 25.10.2023 in der Landesvertretung aus.

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In seiner Einführung zu der Veranstaltung umriss Europastaatssekretär Uwe Becker die Ziele einer erfolgreichen Handelspolitik: Diese seien einerseits die Schaffung von Wohlstand und andererseits die Schaffung einer Win-Win-Situation für beide Seiten. 

Realitätscheck für die EU-Handelspolitik – Pragmatismus oder hehre Ziele?
Europastaatssekretär Uwe Becker

Michael Hager ging in seinem Einführungsstatement insbesondere auf den Paradigmenwechsel weg von der „Sustainability“ hin zu mehr „Economic Security“ ein. Dieser Aspekt müsse in der europäischen Handelspolitik stärker in den Vordergrund gerückt werden, da die derzeitige Form der europäischen Handelspolitik - in der der Handel häufig an bestimmte umwelt- und sozialpolitische Forderungen geknüpft wird - von einigen außereuropäischen Handelspartnern als eine Form des ökologischen Kolonialismus wahrgenommen werde. 

Im anschließenden Gespräch mit Handelsblattkorrespondent Moritz Koch erläuterte Michael Hager die Herausforderungen und Chancen der aktuellen EU-Handelspolitik.

Die Zustimmung zur Ratifizierung von EU-Handelsabkommen sei eine besondere Herausforderung. Bei „CETA“ hätte es passieren können, das am Haloumikäse das ganze Abkommen gescheitert wäre. Dieses wäre aber nicht die einzige Stelle, bei der die unterschiedlichen Interessen der Mitgliedstaaten in der Vergangenheit die Ratifizierung einiger Handelsabkommen mit oftmals sogar gleichgesinnten Vertragspartnern – wie Kanada – erschweren bzw. verunmöglichen. Hinzu komme, dass die jeweiligen Handelspartner häufig andere Ziele und Handelsansätze verfolgten als die EU. 

Realitätscheck für die EU-Handelspolitik – Pragmatismus oder hehre Ziele?
Michael Hager im Gespräch mit Moritz Koch, Handelsblatt

Hager verdeutlichte dies am Beispiel der transatlantischen Beziehungen zwischen Europa und den USA: So lege die EU den Schwerpunkt auf eine starke Exportwirtschaft, während die USA die Binnennachfrage in den Vordergrund stelle. Diese unterschiedlichen Bedingungen erklären die teilweise verschiedenen Handlungsweisen der EU und der USA und seien eine Herausforderung bei der Aushandlung von Handelsabkommen. Grundsätzlich äußerte sich Hager jedoch optimistisch über die europäisch-amerikanischen Beziehungen. Im weiteren Verlauf der Veranstaltung ging Hager auch auf die europäisch-chinesischen Handelsbeziehungen ein und stellte in diesem Zusammenhang die Sinnhaftigkeit und Machbarkeit einer vollständigen Entkopplung in Frage. Stattdessen plädierte er für eine Kombination aus „Derisking“ und Exportkontrollen für europäische Güter.

Realitätscheck für die EU-Handelspolitik – Pragmatismus oder hehre Ziele?
Fast 200 Teilnehmende waren in der Landesvertretung zu Gast