Veranstaltung zur Grube Messel: Chancen zur Förderung unseres Kulturerbes

Das „Pompeji“ der Paläontologie: Am 05.09.2023 wurde in der Hessischen Landesvertretung in Brüssel die einzigartige Fossillagerstätte Grube Messel vorgestellt. Sie bietet einmalige Einblicke in ein Ökosystem vor 48 Mio. Jahren.

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Auf der Veranstaltung, zu der die Hessische Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten, Lucia Puttrich, eingeladen hatte, wurde dem interessierten Brüsseler Publikum nicht nur die Grube Messel präsentiert, sondern auch der belgische UNESCO Geopark Famenne-Ardenne. Europastaatssekretär Uwe Becker begrüßte die Besucherinnen und Besucher und hob die Einzigartigkeit der hessischen Fossillagerstätte Grube Messel vor.

Veranstaltung zur Grube Messel: Chancen zur Förderung unseres Kulturerbes
Europastaatssekretär Uwe Becker

Staatssekretär Uwe Becker erläuterte die großen Vorteile der UNESCO-Geoparks, die seit ihrer Einrichtung im Jahr 2015 international untereinander vernetzt sind und ein sehr breites Publikum ansprechen: UNESCO Global Geoparks sind Regionen, die mit einem ganzheitlichen Ansatz die erdgeschichtliche Vergangenheit mit Bildung, nachhaltiger Regionalentwicklung und nachhaltigem Tourismus verbinden und so zu den Zielen der 17 Nachhaltigkeitsziele (SDGs) direkt beitragen. Dabei übertragen sie die Ziele auf die lokalen Themen und Gegebenheiten vor Ort, so auch im Geopark Bergstraße-Odenwald, in dem die Grube Messel gelegen ist, und im „jungen“ Geopark Famenne-Ardenne südlich von Lüttich.

„Was Pompeji für die Archäologie ist, bedeutet Messel für die Paläontologie: Die Stätte gibt einen einzigartigen Aufschluss über die frühe Evolution der Säugetiere und dokumentiert die Entwicklungsgeschichte der Erde nach dem Aussterben der Saurier.“ Der Staatssekretär erläuterte auch die große Bedeutung der EU-Förderpolitik: Denn der Geopark aus einem wegweisenden INTERREG-Projekt heraus entstanden. Becker warb daher für eine Steigerung des künftigen INTERREG-Budgets der EU im nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen.

Der neue Geschäftsführer der Grube Messel, Philipe Havlik, beschrieb sodann sehr anschaulich die Einzigartigkeit der hessischen Fossillagerstätte und deren Bedeutung für Wissenschaft, Klimaforschung und den Wissenstransfer. Die Grube Messel wird weltweit erforscht, so Havlik, und biete einmalige Einblicke in ein Ökosystem vor 48 Mio. Jahren, das Eozän. Fossilien und Wirbeltiere sind in der Grube Messel in Ölschiefer eingebettet. Dies habe für einen Grad an Erhaltung gesorgt, der für das Zeitalter des Eozän global ein Unikum sei. Der sehr gute Erhaltungszustand der fossilen Funde von Messel habe es der Wissenschaft (in vielen Fällen zum ersten Mal!) ermöglicht, selbst kleinste funktionale Details der Pflanzen und Tiere zu beschreiben, auch dank spektakulärer Funde. Von keiner anderen Fossilienfundstätte sei eine so vielfältige und fantastisch erhaltene Fauna und Flora bekannt.

Wie auch Staatssekretär Becker hob Philipe Havlik die Bedeutung der Forschung in der Grube Messel für die Klimaforschung hervor. „Fossile Zeugen“ wie die Grube Messel- und der belgische Geopark Famenne-Ardenne – spielten eine zentrale Rolle für Erkenntnisse zu klimatischen Veränderungen in der Erdgeschichte. Havlik schilderte sehr plastisch die Besonderheiten der Grube Messel, die v.a. seit den 1970er Jahren mit Grabungen erforscht wird. U.a. damalige CO²-Konzentrationen aus dem Eozän würden durch die Forschung vor Ort rekonstruiert. Der Grad der Erhaltung der Fossilien sei in vielen Fällen sehr gut und sehr detailreich. Sogar Fossilien mit Wirbeltieren, deren Fell erhalten war, seien in den Fossilien gefunden worden. Das gesamte damalige Ökosystem werde intensiv erforscht, Nahrungsketten konnten rekonstruiert werden (z.B. mit dem Fund der bekannten in sich verflochtenen sog. „Brezelschlange“). Die Grube Messel sei auch ein besonders wichtiger Ort für die naturwissenschaftliche Bildung.

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Philipe Havlik, Geschäftsführer der Grube Messel

Dr. Thomas Lehmann betonte als Forschender ebenfalls die Besonderheit der Grube Messel und beschrieb mit Blick auf Saurier, wie die Tiere lebten. Mit Blick auf die sehr turbulente Historie der Grube Messel, einst geplant als Mülldeponie, beschrieb Dr. Lehmann den langen „Kampf“ von Aktiven und Politik zur Sicherung der Stätte. Dr. Lehmann verwies auch die Relevanz der Hobbyforschenden vor Ort und deren wichtige Kooperation mit der Wissenschaft.

Dr. Sabine Verheyden beschrieb ihrerseits sehr greifbar die Genese des belgischen jungen Geoparks Famenne-Ardenne, der sich südlich von Lüttich am Fluss Ourthe in geologisch sehr interessantem Gebiet befindet, und der mehrere spektakuläre Höhlen aufweist – die von Dr. Verheyden mit weiteren Wissenschaftlern erforscht werden. Dr. Verheyden beschrieb die große Relevanz des Geoparks für Nachhaltigkeitsaspekte vor Ort und nachhaltigen Tourismus, aber auch für den Wissenstransfer für Bürgerinnen und Bürger vor Ort, die ihren Geopark und das Kulturerbe verstärkt zu schätzen lernten. Daher seien auch neue Impulse der EU denkbar, um Geoparks und deren Bedeutung verstärkt zu fördern. So sei etwa ein Geoinventar (geo-inventary) nötig.

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Angeregte Diskussionen über die Bedeutung der UNESCO-Geoparks auf dem Panel

Georg Häusler, Direktor in der Generaldirektion Bildung und Kultur der Kommission, zuständig für den Bereich Kulturerbe, würdigte in seinem Beitrag die Relevanz von Stätten wie Grube Messel und Famenne-Ardenne. Kultur, Kulturgeschichte und Menschheitsgeschichte seien die veritable Grundessenz Europas. Für deren Bewahrung setze sich die Kommission ein. Und für diesen Bereich habe Europa einen großen Mehrwert. Häusler betonte, dass die europaweit verausgabten Gelder für den Kulturbereich angesichts der großen Bedeutung noch zu gering seien. Investitionen aus dem Kulturförderprogramm Kreatives Europa seien daher besonders klug investiertes Geld.