Ministerpräsident Boris Rhein hat den neuen Lern- und Erinnerungsort Notaufnahmelager Gießen als „Leuchtturm, der weit über Hessen hinausstrahlt“ bezeichnet. „Mit der neuen Gedenkstätte wird ein bedeutendes Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte ins öffentliche Bewusstsein gerückt und für künftige Generationen erfahrbar gemacht. Als einmaliger Lern- und Erinnerungsort kann die Gedenkstätte sowohl Diktaturerfahrung als auch positive Demokratiegeschichte vermitteln“, sagte Regierungschef Rhein aus Anlass der Eröffnung der Gedenkstätte durch Bundespräsident a.D. Joachim Gauck und Kultusminister Armin Schwarz in Gießen. Der Ort stehe wie kaum ein zweiter für den Weg von Menschen in die Freiheit, sagte Rhein und ergänzte: „Ob für Heimatvertriebene, DDR-Flüchtlinge oder später auch für Asylsuchende – hier begannen die ersten Schritte eines Lebens in Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Ihre Geschichten und Erfahrungen wollen wir in der ersten und einzigen vom Land getragenen Gedenkstätte erzählen.“
Bundespräsident a.D. Joachim Gauck sagte bei der Eröffnung: „Wenn wir heute, am 17. Juni, an das ehemalige Notaufnahmelager Gießen denken, begegnen wir einem Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte, das vielen gar nicht mehr präsent ist – und das wir für die jüngeren und nachfolgenden Generationen bewahren wollen. Es erinnert an Flucht, Vertreibung, Neuanfang – als deutsche Geschichte, aber auch als Menschheitsgeschichte.“
Impulse für eine lebendige Erinnerungsarbeit und Demokratievermittlung
Bildungsminister Armin Schwarz sagte: „Dass wir den Lernort am 17. Juni, am Jahrestag des Volks- und Freiheitsaufstands 1953 in der DDR, eröffnen, hätte nicht besser gewählt werden können. Das Notaufnahmelager wird starke Impulse für eine lebendige Erinnerungsarbeit und Demokratievermittlung geben und einen starken Fokus auf Zeitzeugen legen, gerade auch für Schülerinnen und Schüler. Mit dem Lern- und Erinnerungsort schaffen wir einen Raum, in dem Vergangenheit lebendig wird und der wichtige Dialog über unsere gemeinsame Geschichte und ihre Lehren möglich ist. Die Gedenkstätte ist ein echter Gewinn für die historisch-politische Bildungsarbeit in Hessen.“ Die Förderung von Fahrten zur Gedenkstätte werde direkt nach der Eröffnung freigeschaltet.
Das Notaufnahmelager Gießen war von 1946 bis 1989 eine zentrale Anlaufstelle für fast eine Million Menschen, die aus der DDR und anderen osteuropäischen Staaten nach Westdeutschland flohen. Von 1993 bis 2018 wurde das Gelände im Gießener Meisenbornweg als Erstaufnahmeeinrichtung des Landes für Asylsuchende genutzt. Die Investitionskosten in den neuen Lern- und Erinnerungsort betrugen rund
6,8 Millionen Euro. Das Land Hessen übernahm mit rund fünf Millionen Euro den Großteil, 1,8 Millionen Euro steuerte der Bund bei.
Der Lern- und Erinnerungsort ist ab sofort für die Öffentlichkeit zugänglich. Auf dem rund 1.500 Quadratmeter großen Gelände erwartet die Besucherinnen und Besucher ein vielschichtiges Angebot aus Führungen, Workshops, Zeitzeugengesprächen, Abendveranstaltungen und interaktiven Angeboten.